Es gibt viele verschiedene Menschen mit verschiedenen Leidenschaften. Der eine sammelt Uhren, der andere Porzellanschweinchen und ein anderer wiederum Bücher. Selten genug gibt es Menschen, die einer besonderen Leidenschaft frönen, dem Sammeln und Züchten von Bonsai Bäumen.
So auch Pierre Malue. Er hatte wie jeder andere mit einem Baum angefangen. Dadurch hatte er die Freude und auch die Liebe für diese Bäume gefunden, und von da an züchtete er sie. Immer wieder gelangen ihm neue und auch besondere Bäume. Eines Tages allerdings schlug einer seiner Freunde vor, einen Laden einzurichten, in dem man seine Bäume anpreisen würde. Er würde doch mit Sicherheit viel Geld verdienen.
Gesagt und getan. Sein Laden boomte. Nie hätte er sich träumen lassen, soviel Geld mit einer - wie er immer meinte - so simplen Sache zu verdienen. Seine Züchtungen überschritten in mancher Hinsicht jeglichen Geschmack. Doch dies war ihm egal. Solange er Käufer für die Ware fand, tüftelte er weiter daran herum.
Eines Tages verzeichnete er einen besonderen Erfolg. Die Bäume, die er züchtete, waren von einer besonderen Schönheit und besonders pflegeleicht. Kein tägliches Gießen oder Abspritzen war nötig. Einfach hinstellen und sich dieser Schönheit bewusst werden. Allerdings waren Es Bäume, die nicht jeden Geschmack trafen. Wohl aber den einer besonderen Gruppe von Menschen. Menschen, die nicht die allgemeine Schönheit suchten, sondern das Außergewöhnliche. Und für diese Menschen hatte er diese Bäume geschaffen.
Pierre Malue hatte allerdings nur sieben dieser Bäume schaffen können. Jeder weitere Versuch schlug fehl. So oft er es auch versuchte, ein achter Baum ließ sich nicht kreieren. Immer, wenn er meinte, jetzt hatte er es geschafft, verdorrte der Baum. Seine Verzweiflung stieg mit den Misserfolgen. Er fügte sich in sein Schicksal, mehr als diese sieben Bäume nicht schaffen zu können.
Diese sieben Bäume platzierte Pierre Malue ganz vorne in das Schaufenster, um sie so schnell wie möglich loszuwerden. Sie zeigten seine Grenzen, und dies konnte er nicht akzeptieren.
Die Preise für diese sieben Bäume passte er den anderen Preisen an. Doch dadurch waren sie nicht interessant für die Käufer. Die besondere Schönheit, so die Kundschaft, rechtfertige den Preis nicht. Dadurch war Pierre gezwungen, die Preise für diese Bäume herabzusetzen. Und nun fanden sich Käufer. Nicht die Käuferschicht, die sonst bei ihm Bäume kaufte, also Leute mit dem nötigen Kleingeld, sondern Menschen, die sich sonst nie einen solchen Baum leisten konnten, weil sie zum einen nicht die nötigen Mittel dazu hatten, und zum anderen, weil sie sich auf die Pflege der Bäume nicht verstanden. Doch das Schild im Schaufenster, welches darauf hinwies, wie pflegeleicht diese Bäume waren, stimmte sie um.
Doch irgendwie waren diese Käufer auch wieder auf eine bestimmte Art etwas anderes als das gemeine Volk. Pierre wusste nicht, was an ihnen so anders war. War es die Art wie sie aussahen oder wie sie Englischn? Nur eins wusste er genau, sie waren anders. Doch er war froh, diese Bäume auf eine schnelle Art und Weise loszuwerden.
Der erste, der sich für diese Bäume interessierte
und auch einen kaufte, war ein älterer Professor im Ruhestand. Sein Name, Pierre schrieb sich immer die Namen und die dazugehörigen Daten der Käufer auf, Robert Bleideppel, war für Pierre mehr als ungewöhnlich. Er hatte so einen seltsamen Namen noch nie gehört. Doch was soll’s, dacht er sich und schrieb den Namen und die Daten auf.
Die nächste Käuferin, war eine Lehrerin, Gabriele Maurer, die dem Aussehen nach zu urteilen, aus dem achtzehnten Jahrhundert stammte. Ferner verkaufte er die restlichen Bäume an: Peter Siegler, ein Maurermeister, Jutta Pfister, angehenden Rechtsanwältin und Sabine Schuster, Fabrikarbeiterin.
Vorerst blieben Zwei der Bäume noch stehen. Doch auch sie standen nicht lange im Schaufenster. Vier Tage später verkaufte er sie an Rudi Kellner, einem arbeitslosen Elektriker und an Vera Kastner, die ihr Dasein als Hausfrau fristete. Überglücklich, endlich alle Bäume los zu sein, entfernte er die Hinweisschilder aus dem Schaufenster und züchtete wieder neue Bäume.
Für Pierre war damit die Sache erledigt, so meinte
er wenigstens. Doch er sollte sich irren. Sehr schnell kann man Bäume, die man verkauft hat, wieder zurückerhalten.
Die Menschen, die diesen Baum besaßen, hatten große Freude daran. Die Bäume wuchsen und gediehen, es war eine Freude ihnen dabei zuzusehen. Sie wurden gegossen, geschnitten, gehegt und gepflegt. Jeder Besitzer genoss es, so einen wertvollen Baum sein eigen zu nennen.
Doch nach zwei Monaten schien es, als wolle der Baum bei jedem einzelnen, eingehen. Keiner konnte sich erklären, warum er nicht mehr wuchs, sondern alle Blätter abwarf und die Äste traurig hängen ließ. Doch hielt sich jeder an die Anweisungen, die man in der einschlägigen Literatur über die Pflege solcher Bäume fand.
Keiner wusste einen Rat und deshalb marschierten sie alle der Reihe nach zu Pierre um sich einen Rat zu holen.
Rudi Kellner, der immer noch arbeitslos war, traf am Vormittag bei Pierre Malue ein und bat um einen Hinweis. Pierre schaute sich den Baum genau an und zuckte ratlos mit den Schultern. Er
hatte auch keine Erklärung dafür.
In diesem Moment betrat Frau Kastner, die ebenfalls Probleme mit ihrem Baum hatte, den Laden. Sie stellte ihn neben den des Herrn Kellner. Beide schauten sich an und schüttelten ahnungslos den Kopf.
„Es muss doch eine Möglichkeit geben, diese Bäume wieder aufzupäppeln. Wissen sie wirklich keinen Rat?“ Frau Kastner war schier den Tränen nah. Ihr ging das Sterben des Bäumchens an die Nieren.
„Ich kann ihnen nur den Spezialdünger, den ich bei den Bäumen angewandt habe geben. Allerdings habe ich nur noch einen kleinen Rest. Sie können es ja mal versuchen, ob sie damit Erfolg haben.“
Damit verließ Pierre den Laden, eilte in sein Lager und kam gleich darauf mit einem kleinen Fläschchen zurück, das aussah, als sei bräunliches Wasser in diese Flasche abgefüllt worden.
Frau Kastner konnte sich nicht die Bemerkung verkneifen: „Wie rote Wandfarbe, nur nicht so dickflüssig.“
Frau Kastner und Herr Kellner verließen, gemeinsam den Laden.
„Wollen Sie mit mir noch eine Tasse Kaffee in dem Café gegenüber trinken?“ Frau Kastner wollte jetzt nicht gleich wieder alleine sein. Zwar hatte sie einen Haushalt zu versorgen, aber trotzdem wollte sie sich jetzt die Zeit nehmen, mit dem freundlichen Elektriker eine Tasse Kaffee zu schlürfen und vielleicht etwas über diese Bäumchen zu fachsimpeln.
Dankbar willigte Herr Kellner ein. Er wäre sonst wieder nach Hause gegangen, hätte sich in seiner leeren Wohnung vor den Fernseher gelegt und blöd in die Röhre geschaut. Also war es doch besser, mit der attraktiven Frau eine Tasse Kaffee zu trinken. In seinen Augen war Frau Kastner eine Schönheit. Eine Schönheit, die von ihrem Mann wie ein Mauerblümchen in den eigenen vier Wänden vernachlässigt wurde und es nicht einmal bemerkte.
Beide betraten das Café, setzten sich an den Tisch gleich am Eingang und bestellten sich den so heiß ersehnten Kaffee, als sich ein älterer Mann zu ihnen gesellte.
„Darf ich mich kurz mit Ihnen unterhalten?“ Er sprach in ruhigen, gepflegten Ton, so dass sie nicht anders konnten, als zu nicken. Ja, warum sollten sie nicht mit diesem Herrn reden? Ohne lange zu zögern, kam er gleich zum Kernpunkt seines gewollten Gespräches. „Ich besitze auch so ein Bäumchen, wie sie es hier haben. Doch leider habe ich das gleiche Problem damit. Er erweckt den Eindruck, als wollte er eingehen.“
„Haben sie ihn auch bei dem Händler auf der anderen Straßenseite gekauft?“ Rudi Kellner wurde hellhörig.
„Ja. Er gab ihn mir besonders günstig, weil er ihn unbedingt loswerden wollte, um neue Ware einkaufen zu können. Und da nehme der Baum Platz ein, den er dringend gebrauchen konnte. Und nun scheint er einzugehen. Denn aufgeben will ich ihn eigentlich nicht, er ist die Zierde meiner kleinen Wohnung. Und meine Nachbarin, eine etwas schrullige Lehrerin, hat das gleiche Problem, auch sie hat einen solchen Baum bei ihm gekauft.“
„Wir waren, “ so Frau Kastner, „gerade bei diesem Verkäufer. Auch er wusste keinen Rat und hat uns
als einzige Hilfe einen Dünger anvertraut, der uns vielleicht helfen könnte. Allerdings besaß er nicht mehr viel davon. Aber wir würden uns freuen, wenn wir ihnen mit ein paar Tropfen helfen könnten.“
Der Professor setzte sich endgültig an den Tisch, bat die Bedienung seine Sachen vom anderen Tisch herzubringen und plauderte munter mit den beiden. Alle drei verstanden sich auf Anhieb miteinander. Jeder hegte eine gewisse Sympathie für den anderen und deshalb harmonierten sie miteinander.
So saßen sie mehrere Stunden beisammen und fachsimpelten über jenes und dieses. Die drei verabredeten sich am folgenden Abend, sich beim Professor wieder einzufinden, damit er die Substanz des Düngers überprüfen konnte, um eventuell noch mehr davon herzustellen.
In der Zwischenzeit ergab der Zufall, dass Frau Maurer ein Problem mit einer Autowerkstatt hatte. Sie wandte sich deshalb an ihre Rechtsanwältin.
Das Büro der Rechtsanwältin war gediegen und nicht geprotzt, wie bei vielen Rechtsanwälten. Auf
der einen Seite des Raumes stand eine einfache Kommode, auf dessen Mitte ein kleiner Bonsai Baum stand. „Genau den gleichen habe ich daheim. Aber ich sehe, sie haben auch Probleme mit ihm. Bei ihnen will er auch nicht richtig gedeihen.“ Und eh man sich versah, fachsimpelten die beiden mehr über Bonsai Bäume, als um das eigentliche Problem der Frau Maurer, dessen sie eigentlich gekommen war.
Vielen Dank für das Lesen dieser Probe, sie sind am Ende der Leseprobe angelangt.
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