Pierre Lochard, ein Mann im besten Alter, saß in seinem kleinen Zimmer in einer Pension mitten im Herzen von Paris und studierte wie jeden Morgen die Wohnungsanzeigen in den einschlägigen Zeitungen. Er brauchte dringend eine neue Bleibe. Hier in dieser Pension wurde er zwar mit allem Nötigen versorgt, aber auf die Dauer würde es seine gesamten Ersparnisse auffressen. Und dass er reich war, konnte man nicht behaupten. Sicher, er hatte einen guten Job als Automateneinrichter, er verdiente damit auch sehr gut, doch die Hälfte seines Einkommens fraß diese Pension auf. Seine Frau hatte ihm von heute auf morgen einfach die Koffer vor die Tür gestellt, ohne dass er begriff, warum eigentlich Er, der immer absolut treu zu seiner Frau war, musste eine neue Bleibe suchen.
Er blickte von der Zeitung auf und sah im Geiste die schönen blauen Augen seiner Frau. Sie lächelte ihn an, wie am Anfang, als er sie kennen lernte. Was war sie für eine Schönheit. Und ausgerechnet ihn nahm sie als Mann. Damals konnte er sein Glück nicht fassen. Er, der doch so unscheinbar aussah, der im Grunde nichts war, nichts hatte, ihn nahm sie. Er wurde von allen um seine Frau beneidet. Wie hatte einmal sein Freund zu ihm
gesagt: „Warum die ausgerechnet dich armen Schlucker nimmt? Sie könnte was Besseres haben als dich. Aber nein, so einen Trottel wie dich nimmt sie.“
Warum der Freund diese Worte damals zu ihm sagte, war Pierre nie klar geworden. Bis auf heute. Heute war der Freund der Mann, der es jetzt seiner Frau besorgte. Wie Schuppen fiel es Pierre von den Augen, als er seine Frau und seinen Freund Arm in Arm die Straße entlang schlendern sah. Er, sein bester Freund, war damals schon eifersüchtig auf ihn gewesen. Er wollte sie immer besitzen. Wieder fielen ihm die Worte ein, als sein Freund einmal zu Besuch war: „Deine Frau hat ein Fahrgestell wie ein Gott. Zwischen diesen Beinen würde ich auch einmal gerne liegen.“ Damals lachte Pierre über diese Bemerkung. Es machte ihn stolz, wenn andere Männer seine Frau begehrten. Wenn sie die Straße entlang gingen und jeder Mann seiner Frau hinterher stierte. Ja, sie sahen nicht seiner Frau hinterher, sondern stierten ihr nach. Pierre fühlte die Blicke, mit denen die anderen Männer seine Frau auszogen. Und das auf offener Straße. Er fühlte sich dabei wohl. Denn keiner außer ihm durfte sie nackt sehen. Ihm war
es erlaubt sie an den Stellen zu streicheln, von denen die anderen nur träumten. Wie gerne hätten sie dies auch getan. Doch sie verkniffen es sich. Denn schließlich war sie mit ihm verheiratet und kein Freiwild, das jeder besteigen durfte, wann er wollte.
Und heute? Die Realität riss ihn aus seinen Träumen. Das Bild seiner schönen Frau verschwamm vor Pierre`s Augen und das Bildnis seines Freundes tauchte vor ihm auf. Hämisch grinsend, die Augen triumphierend. Letztendlich hatte er es doch geschafft, zwischen diesem scharfen Gestell zu liegen. Nie hatte Pierre zu träumen gewagt, dass sein bester Freund ihm seine Frau wegnehmen würde. Und wieder klangen die Worte in seinem Gehirn nach, die sein Freund immer wieder beteuerte: „Sicher begehre ich deine Frau, aber ich würde sie dir nie wegnehmen. Schließlich sind wir beide miteinander befreundet. Und dies machen Freunde untereinander nicht.“
Wie enttäuscht war Pierre von seinem Freund. Nein, er wollte nicht mehr darüber nachdenken. Er wischte die Gedanken fort und widmete sich wieder der Zeitung. so schnell als möglich
brauchte er eine neue Bleibe. Egal was. Nur teuer sollte es nicht sein. „Aber mein“, sinnierte er vor sich hin. Ja, eine kleine gemütliche Wohnung, in der er tun und lassen konnte, was er wollte. Er würde sich dies Wohnung gemütlich einrichten und auf Frauenbekanntschaften pfeifen. Was sollte er schon mit einer Frau? Jeder würde ihr nur nach geifern und dann würde sie doch wieder die Beine breit machen für andere Männer, aber nicht mehr für ihn. Er beschloss allein zu bleiben. „Lieber allein, als für dumm verkauft. Sollen die Weiber doch machen was sie wollen. Mich kriegt keine mehr an den Hacken.“ Mit diesen Worten vertiefte er sich wieder in die Zeitung.
Pierre`s Blick fiel auf eine unscheinbare kleine Annonce. Gemütliche Zweizimmerwohnung, am Rande des Zentrums gelegen. Für ruhigen Mieter, als Dauerlösung zu vermieten. Preis nach Vereinbarung. Mehr stand nicht dabei. Nur noch die Telefonnummer wurde aufgeführt. Das war die richtige Wohnung für ihn. Schon im Voraus wusste er dies, bevor er sie überhaupt gesehen hatte. Das sollte seine künftige Wohnung sein. Das stand für ihn fest.
Pierre wählte die angegebene Nummer, und stellte zu seiner Freude fest, die Wohnung war noch nicht vergeben. Er vereinbarte einen Termin mit dem Vermieter und traf schon eine halbe Stunde vor dem verabredeten Termin dort ein.
Sie lag im Parterre, was ihm im Grunde gelegen kam, Kein lästiges Treppensteigen, schon gar nicht, wenn er an den Umzug dachte. Man stelle sich vor, die Möbel müssten in den fünften Stock geschleppt werden. Nicht auszudenken, welche Kraftanstrengungen dafür nötig waren, mal abgesehen von dem Rotwein, das man sich dabei einverleiben musste, um nicht auszutrocknen.
Pierre wollte sich diese Wohnung nicht mehr wegnehmen lassen. Er warf nur einen kurzen flüchtigen Blick in die Wohnung und sagte dann sofort zu dem Vermieter: „Ja, ich nehme sie. Was soll sie kosten?“
Der Vermieter schaute ihn verdutzt an, nannte seinen Preis und schon hatte er die Unterschrift seines neuen Mieters unter dem Vertrag.
Man verabredete noch den genauen
Einzugstermin und der Vermieter übergab Pierre die Wohnungsschlüssel und ging seiner Wege. So schnell hatte er noch nie eine Wohnung vermietet. Zweifel stiegen in ihm auf, ob er wohl das richtige getan hatte. Er hatte sich nicht einmal nach Pierre erkundigt. Wo er arbeitet, ob er überhaupt ein Einkommen hatte. Nichts. Er, der sonst immer so korrekt war, vermietet diese Wohnung an einen Mann, von dem er letztendlich nichts, aber auch rein gar nichts wusste und auch nichts hinterfragt hatte. Kopfschüttelnd ging er in seine eigene Wohnung, schmiss die Gedanken von sich und hoffte, hier nicht einen Fehler gemacht zu haben.
Pierre, überglücklich über die neu gefundene Wohnung, machte sich gleich daran, seine sieben Sachen zu packen, um dort einzuziehen.
Pierre hatte noch viel zu tun. Seine neuen vier Wände wollten eingerichtet werden. Er konnte schließlich nicht auf dem Fußboden schlafen. Auch brauchte er Töpfe zum kochen. Ach die Liste in seinem Kopf wurde immer länger. Darum brachte er seine paar Habseligkeiten schnell in die Wohnung, und machte sich auf, alles nötige zu besorgen. Hier kaufte er dies, und dort kaufte er
das. Sein Geld, das er sich extra von der Bank geholt hatte, schrumpfte in seinem Geldbeutel zusammen, wie nach einem Orgasmus sein Glied. Doch dieses konnte man wieder aufrichten. Den Geldbeutel aufzufüllen, war nicht ganz so einfach.
Doch was sollte es! Er brauchte die Dinge des täglichen Lebens und ließ alles in die Rue de Chantall Nummer Sechsunddreißig liefern. Hier hatte er seine neue Bleibe gefunden und hier wollte er auch für immer bleiben. Dies stand für ihn fest.
Die letzten Tage seines Urlaubes verbrachte er damit, die Möbel an ihren vorbestimmten Platz zu stellen, alles Sonstige einzuräumen und sich alles so hübsch wie nur möglich zu gestalten.
Nach getaner Arbeit, setzte er sich auf sein neues Sofa, köpfte eine Flasche Rotwein, trank gierig einen kräftigen Schluck, lehnte sich zurück und betrachtete sein erstelltes Werk. Er konnte nicht anders, als sich selber auf die Schulter zu klopfen und zu sagen: „Das hast du gut gemacht!“
Ja, er war mit seiner Arbeit zufrieden. Mehr als
dies. Mit dieser Wohnung hatte er ein Meisterwerk geschaffen. Und keiner konnte mehr erreichen, als Pierre es jetzt getan hatte.
Zufrieden nuckelte er weiter an seiner Flasche, leerte auch noch eine zweite und dritte. Dann hörte er auf zu zählen und schlief mit einem gehörigen Rausch ein. Er hatte, wenn nicht er wer dann, das Recht seinen Erfolg zu feiern. Und dieses Recht hatte er sich heute Abend herausgenommen, auch wenn er sich dabei einen Rausch einhandelte. Pierre hatte genau das erreicht, was er wollte, und dies war ihm wichtig für seine eigene kleine Feier gewesen.
Die Tage und Wochen vergingen wie im Flug. Nichts Außergewöhnliches passierte in seinem Leben. Wenn man mal davon absah, wie die Scheidung abgelaufen war. Seine Frau führte sich auf wie eine Furie. Sie versuchte einen Kleinkrieg im Gerichtssaal anzuzetteln. Doch Pierre blieb ruhig. Ließ alles über sich ergehen, bloß damit er alles so schnell wie möglich hinter sich brachte.
Nachdem er geschieden war, seine Arbeit wie immer zielbewusst und fleißig erledigte, führte
Pierre ein relativ ruhiges Leben in seinen neuen vier Wänden. Abends, nach getaner Arbeit, machte er es sich gemütlich, erledigte, wenn er es für nötig hielt, seine hausfraulichen Pflichten, oder ruhte sich einfach im Wohnzimmer aus, um für den nächsten Tag wieder vollkommen fit zu sein.
Alles lief seinen eigenen Gang, ohne irgendwelche Störungen.
An einem Wochenende räumte er gerade die Wohnung auf, als ihm einige Dinge in die Finger fielen, die er im Grunde eigentlich nicht benötigte. Doch wo sollte er sie hin räumen? In der Wohnung störten ihn diese Dinge, aber zum wegwerfen waren sie ihm auch zu schade. Da besann er sich, wie ihm der Hausbesitzer ganz am Anfang mitteilte, es gäbe noch einen kleinen Raum im Dachboden, den er benutzen dürfte, wenn er ihn benötigte. Er machte sich auf, um diesen Raum oben zu suchen. Er fand keinen unabgeschlossenen Raum, weshalb er sich veranlasst sah, deswegen an den Hausbesitzer zu wenden. Dieser entschuldigte sich bei ihm, den Schlüssel für diesen Raum nicht ausgehändigt zu haben, übergab ihm dem Schlüssel und beschrieb ihm den
Weg zu diesem Raum. Pierre bedankte sich vielmals, und begann, die Dinge, die er nicht mehr in der Wohnung benötigte, dort oben zu verstauen.
Vielen Dank für das Lesen dieser Probe, sie sind am Ende der Leseprobe angelangt.
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