Es lag ein kleiner Ort nahe der Grenze. So unscheinbar, als würde es sich im normalen Leben nie lohnen, über diesen zu sprechen.
Hier lebten einfache Menschen mit einem Einkommen, das gerade ausreicht, um zu überleben. Einen besonderen Luxus konnten diese Menschen sich nicht leisten.
Und doch war der Ort von einer gewissen Schönheit, die seinesgleichen sucht. Die Häuser waren sauber gestrichen, nicht so schlicht, wie in sonstigen Orten und Städten. Dort standen sie aneinander gereiht, als ob man mit einem Lineal alle Häuserkanten gezogen hätte. Die Hausfassaden glichen wie ein Ei dem anderen.
Hier in dieser Straße standen die Häuser nicht alle in einer Reihe. Eines stand ziemlich weit vorne, während ein anderes weiter zurückgesetzt war. Auch die Fassaden waren alle unterschiedlich gestaltet. Hier gab es Fensterläden mit reichlicher Verzierung, dort schlicht und einfach, und an manchen Fenstern wiederum hingen nur Jalousien, die farblich ganz unterschiedlich aussahen. Es gab hellblau gestrichene mit gelben Fensterläden, und
welche, die in einem schlichten Weiß mit grünen Fensterläden gestrichen war.
Nur eines hatten alle gemeinsam: Überall rankten Blumen aus Kästen an den Fenstern. Die Bepflanzung fiel auch hier unterschiedlich aus. Man sah genau, dass jeder einen anderen Geschmack besaß. Der eine schien rote Geranien zu lieben, während der andere sich gelbe Tulpen oder gar rote Rosen gepflanzt hatte.
Jedes Haus war auf die eine oder andere Art ausgeschmückt. Genauso hatte jeder in seinem Garten einen eigenen Stil: mal schlicht, einen gepflegten Rasen mit Blumeneinfassung und mal übersät mit Blumen und Sträuchern in den verschiedensten Farben. Auch die Gartenzäune waren ein Blickfang für sich. Da standen Jägerzäune neben reichlich verzierten, schmiedeeisernen Zäunen. Nur den üblichen Maschendrahtzaun, den konnte man hier nicht finden, wie er so oft üblich ist, weil er einem keine Arbeit macht.
Ich konnte mir gut vorstellen, hier meinen Lebensabend zu genießen. Ich sah mich im
Vorgarten auf einer Hollywoodschaukel sitzen, um dem Treiben der Mitbewohner zuzusehen. Ja, so könnte ich es mir vorstellen.
Man konnte sich nicht satt genug sehen an diesen Häusern, an denen sich bei einigen der Efeu bis zum Dachgiebel empor streckte. Die Eingangstüren an den Gärten waren zum Teil ebenfalls mit Pflanzen überwachsen.
Die Gestaltungen waren so harmonisch gehalten, so dass sie Vertrauen einflößten. Aber es war nicht nur das Vertrauen, sondern man hatte das Gefühl, sich hier unheimlich wohl zu fühlen, oder anders gesagt, so wie bei Muttern Zuhause.
Ich kam hier eines Tages durch einen dummen Zufall durch diesen Ort, und da es schon langsam dunkel wurde, entschloss ich mich, hier zu übernachten.
Ziemlich am Ende des Ortes las ich ein Schild: Hier gab es Zimmer zu vermieten.
Ich hielt an und ging zu diesem Haus.
Die drei Stufen zur Veranda nahm ich mit einem Satz, schritt zur Tür und öffnete diese. Ein leises Knarren zeigte mir, dass man hier mit Öl sehr sparsam umging. Ich schloss die Tür hinter mir und ging auf den Tresen zu, der in dieser großen Vorhalle stand.
Der Raum war sehr schlicht gehalten. Er strahlte keinen besonderen Luxus aus. Es waren zwar kleine Tische aufgestellt, um diese herum standen einfache Sessel, die aber gemütlich wirkten. Es gab keine Unordnung, wie man sie aus vielen Hotels kennt, indem Zeitungen auf den Tischen lagen oder gar andere Dinge. Hier war alles sauber aufgeräumt, und sogar ein Strauß Blumen schmückte jeden dieser Tische.
Auf dem Tresen stand eine Klingel, die ich zaghaft niederdrückte. Ein sanftes Klingeln erklang, dennoch laut genug, dass man es bestimmt im ganzen Haus gehört haben muss.
Es dauerte nicht lange, und es erschien eine ältere Frau, deren Aussehen mich an meine Großmutter erinnerte. Sie kam aus einem weiter hinten gelegenen Zimmer heraus.
Ihr gepflegtes graues Haar war zu einem Dutt nach oben gesteckt. Ihre Gestalt wirkte gedrungen und etwas füllig. Die Gesichtszüge zeigten, dass schon viele Jahre an ihr vorübergegangen sind. Und doch wirkten die Züge so, als wenn sie nur die guten Seiten des Lebens gesehen hatte.
Sie sah also sehr freundlich aus und begrüßte mich auch so.
Sie fragte nach meinem Anliegen, und ich antwortete ihr, dass ich ein Zimmer für eine Nacht bräuchte.
In ihrer freundlichen Art reichte sie mir den Meldezettel, den ich sogleich ausfüllte. Dann gab sie mir einen Zimmerschlüssel und erklärte mir noch, wo ich das Zimmer fand.
Ich ging erst einmal zu meinem Wagen nach draußen, holte meinen Koffer und begab mich mit diesem sofort auf mein Zimmer. Dort oben angekommen stellte ich den Koffer aufs Bett und sah mich in diesem schlichten, aber gemütlich eingerichteten Zimmer um. Gleich neben der Tür stand das Bett, das mit einer geblümten
Tagesdecke zugedeckt war. Daneben befand sich ein Nachttisch, auf dem eine kleine Lampe und ein kleiner Strauß Blumen standen. Auf der gegenüberliegenden Seite sah ich eine Kommode in einem älteren ländlichen Stil gebaut und daneben ein genauso gestalteter Kleiderschrank. In der hinteren Ecke fand ich noch einen kleinen Tisch mit zwei Sesseln, wie ich sie schon unten in der Empfangshalle gesehen hatte. Zwischen dem Schrank und dem kleinen Tisch gab es ein Fenster, das einen guten Rundblick auf den kleinen Ort freigab.
Auch von hier sah der Ort beeindruckend aus. Er war wirklich nicht sehr groß. Es gab vielleicht zwanzig oder dreißig Häuser, aber jedes dieser Häuser war wunderschön bemalt.
Je länger ich mir diesen Ort anschaute, um so mehr beschlich mich ein Gefühl, dass diese übertriebene Freundlichkeit, diese Schönheit des Ortes nur gespielt waren. Ich konnte nicht einmal sagen, weshalb mich dieses Gefühl beschlich.
Mir kam der Spruch „außen schön und innen hässlich“ in den Sinn. Doch insgeheim hoffte ich,
dass es in diesem Ort nicht so sein sollte. Die Freundlichkeit der Frau war nur gespielt und die Schönheit eine Fassade. Nein, das konnte nicht sein. Warum auch machte man sich solche Mühe, einerseits alles in einen harmonischen Einklang zu bringen und auf der anderen Seite ein scheußliches Schicksal zu spielen?
Hier war alles wie es sein sollte. Die Freundlichkeit war ehrlich und die Gemütlichkeit echt.
Ich konnte meinen Blick von diesem Ort nicht lassen. Es war wie ein Zwang, sich diese Häuser anzusehen.
Ich schüttelte den Kopf, um meine Gedanken wieder zu ordnen und verließ dieses Zimmer, um etwas essen zu gehen.
Dazu machte ich mich auf den Weg, um nach einem Gasthaus oder Restaurant zu suchen.
Während ich so durch den Ort lief, faszinierten mich immer mehr diese schönen und reichlich verzierten Häuser. Unweigerlich wurde der Blick auf die Häusern gezogen. Was faszinierte mich an
diesen Häusern so sehr, dass ich den Blick nicht loslassen konnte?
Aus manchen Fenstern schauten Menschen heraus, die mich lächelnd begrüßten. Diese Menschen zeigten sich so freundlich und zuvorkommend, dass es langsam unheimlich wirkte. Diese Freundlichkeit war höchst ungewöhnlich.
Auf der gegenüberliegenden Seite sah ich ein Schild mit der Aufschrift Restaurant.
Ich lenkte meine Schritte dorthin und betrat diesen saubereren, ordentlich aufgeräumten Raum.
Dort standen mehrere Tische, auf denen schön bedruckte Tischdecken lagen, und wieder zierte ein schöner Blumenstrauß mit den verschiedensten Blumen jeden Tisch.
Unweigerlich dachte ich an mein Zuhause, als ob meine Mutter hier wäre. Sie hatte auch die Angewohnheit, schöne Tischdecken auf den Tisch zu legen und einen Blumenstrauß darauf zu stellen. Jeden Tag wurden neue Blumen hingestellt, damit man nie den Eindruck gewann,
die Blumen könnten etwas älter sein.
Bis heute ist mir nie klar geworden, warum sie dies machte, denn Besuch bekamen wir selten. Und doch war sie immer der Meinung, es könnte ja jemand kommen, daher musste es immer picobello sein.
Hier hatte ich den gleichen Eindruck. Man hatte sich für Eventualitäten gerüstet. Nun, diese Leute hier hatten Recht, denn ich war da und wollte etwas essen.
Am Tisch in der Nähe des Fensters nahm ich Platz und schaute in die Speisekarte, die auf diesem Tisch lag.
Eine ältere Dame, sehr modern und farbig bekleidet, betrat den Raum und kam direkt auf mich zu.
Auch sie wirkte älter, trug einen Dutt auf ihrem Kopf, und die Falten in ihrem Gesicht zeigten die vergangenen Jahre.
Sie lächelte andauernd, so dass man den Eindruck
gewann, sie wolle mit aller Gewalt übertreiben. Sie begrüßte mich freundlich und höflich und fragte nach meinem Anliegen. Ich bestellte mir ein Mineralwasser und fragte sie, was sie heute für ein Essen empfehlen konnte.
Sie lächelte immer noch ununterbrochen, es war wirklich schon nicht mehr angenehm. Irgendwie ging mir diese übertriebene Freundlichkeit langsam auf den Keks.
Sie empfahl mir den Fisch, den ich dann zustimmend bei ihr bestellte.
Ich nahm eine Zigarette aus meiner Tasche und zündete mir diese an. Mein Blick wanderte wieder nach draußen. Dort sah ich zwei ältere Damen, die schnurstracks auf dieses Restaurant zusteuerten. Sie betraten den Raum, setzten sich an einen der Tische und zwar so, dass sie mich im Blickfeld hatten.
Immer mehr Frauen strömten herein.
Alle waren in ihrer Art und Weise gleich, direkt unheimlich. Sie trugen alle ihr graues Haar zu
einem Dutt, und die zerfurchten Gesichter zeigten die vielen Jahre ihres Lebens. Alle hatten irgendwie das gleiche Aussehen. War dies ein Zufall?
Allerdings war nicht nur das Aussehen bei ihnen gleich, sondern auch ihre Neugier.
Zumindest nahm ich an, dass sie allesamt neugierig waren, wer dieser neue Gast hier war. Anscheinend verirrten sich hierher nur selten Gäste. Anders konnte ich mir ihre Neugier nicht erklären.
Es dauerte keine Viertelstunde, als das Restaurant mit Gästen gefüllt war. Allerdings waren es nur Frauen. Waren sie wirklich nur Gäste, oder trieb es diese Leute nur ihrer Neugier wegen hierher?
Ich beschloss, mich nicht weiter um diese Frauen zu kümmern und zog weiterhin meine Zigarette in mich hinein.
Kurz darauf kam die ältere Dame und brachte mir mein Essen und das Getränk. Sie verließ nicht gleich wieder den Raum, sondern blieb eine Weile
neben meinem Tisch stehen. Als ich den ersten Bissen gegessen hatte, fragte sie mich, wie es denn schmecken würde. Ich antwortete ihr, der Fisch sei vorzüglich, wobei sie dann auf dem Absatz kehrt machte und in den Nebenraum ging. Ein kurzer Blick ihr hinterher genügte, um mir zu zeigen, dass dies die Küche des Restaurants sein musste.
Die anderen Damen beachtete sie nicht weiter.
Also waren diese Menschen doch wegen ihrer Neugierde hier.
Es war ein komisches Gefühl, von so vielen Augenpaaren beobachtet zu werden. Man fühlt sich sofort unwohl. Doch ich ließ mir nichts anmerken, aß mein Essen und stellte den Teller, nachdem ich fertig war, ans Ende des Tisches.
Das Essen schmeckte wirklich vorzüglich. Da gab es nichts zu sagen. Ich habe selten einen so guten Fisch gegessen. Denn einen Fisch zuzubereiten, ist wirklich nicht jedermanns Sache. Aber hier verstand man etwas davon.
Nach dem Essen soll man rauchen oder spazieren gehen. Ich beschloss ersteres zu tun, zündete mir eine Zigarette an und schaute aus dem Fenster. Erst jetzt bemerkte ich, das sich auch vor dem Fenster einige ältere Frauen versammelt hatten und in dieses Restaurant hineinschauten.
Ich rief die Bedienung und fragte, was ich schuldig sei.
Jetzt wollte ich den Blicken der alten Damen ausweichen. Es war zwar sehr gemütlich hier, und ich wäre gerne noch ein Weilchen geblieben, denn ich genieße es, nach einem guten Essen eine Tasse Kaffee zu trinken, eine Zigarette zu rauchen und mein Leben zu genießen. Doch jetzt wollte ich nicht mehr bleiben. Diese vielen Blicke gingen mir einfach auf die Nerven.
Sie nannte mir einen Preis, der mich überlegen ließ, ob sich bei diesen Preisen ein Restaurant überhaupt lohnte. Doch das sollte nicht mein Problem sein, bezahlte den sehr geringen Preis und begab mich in mein Hotelzimmer.
Auf dem Weg dorthin fühlte ich mich von vielen
Augen verfolgt. War es wirklich nur die Neugier dieser Menschen?
Ein komisches Gefühl beschlich mich. Ich war es schließlich nicht gewohnt, immerzu beobachtet zu werden. Im Gegenteil. Ich war immer der Meinung, für so ein uninteressantes Bürschchen wie mich würde sich ohnehin niemand interessieren.
Sicher wird man in einem kleinen Ort immer auf viel Neugierde stoßen. Das ist so üblich. Aber hier war die Neugier übertrieben groß. Eher so, als ob man mich damit vertreiben wollte.
So schnell ich konnte, ohne dabei zu rennen, ging ich auf mein Zimmer und bemerkte, dass mein Koffer nicht mehr auf dem Bett stand. Ich schaute mich im Zimmer um und stellte erleichtert fest, dass ich ihn neben dem Schrank fand. Tief zog ich die Luft zwischen meinen Lippen hindurch.
Vielen Dank für das Lesen dieser Probe, sie sind am Ende der Leseprobe angelangt.
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