Jeder Mensch hat einen oder mehrere Freunde. Dies ist im allgemeinen Leben so. Der eine Freund hilft einem wo man nur kann, nimmt einem alles, so weit dies eben möglich ist, ab und unterstützt einem in allen Lebensdingen und Fragen.
Der andere Freund ist einfach nur da, spielt sich auf und, na tut eben so, wie ein wahrer Freund, oder eher wie ein Kumpan. Jeder hat irgendwo einen Menschen, auf den er sich jederzeit verlassen kann. Es gibt keinen Menschen, der alleine auf der Welt ist, der sich alleine ohne fremde Hilfe durchschlagen muss. Jeder weiß dies und handelt danach.
Doch da gibt es Roland Duemont. Ein Franzose, der in Amerika lebt. Um genauer zu sein, in einer größeren Stadt, in der Nähe von... ach dies ist eigentlich egal. Er könnte überall leben. In New York, San Francisco, Los Angeles, Paris, London, Brüssel. Ja sogar in Hamburg, Berlin oder München. Er ist überall zu Hause und nirgends. Er ist der typische Mensch, der in einer Stadt lebt und sein Dasein fristet.
Seine Karriere ist die übliche, wie sie Menschen so
im Allgemeinen erleben, Kindheit nichts besonderes, und doch gelebt. Irgendwann ein Mädchen kennen gelernt, war der Meinung sie geliebt zu haben, Kinder in die Welt gesetzt, obwohl es fragwürdig ist, ob dies sinnvoll war, und dann gelebt. Nicht wie Gott in Frankreich, aber doch gut gelebt. Sicher hatte er wie andere Schulden, doch diese bezahlten sich irgendwo wie von selbst, und man hatte die Perspektive, irgendwann waren sie schließlich weg. Sicher gab es dann wieder einiges anzuschaffen, weshalb man dann wieder Schulden machen würde. Aber daran dachten er und die vielen anderen Duemont`s nicht. Warum auch? Warum sollte man sich Gedanken darüber machen, was in ein paar Jahren sein würde? Er lebte hier und heute.
Dass sich sein Leben einmal ändern könnte, kam ihm nicht in den Sinn. Warum denn auch? Er hatte Freunde, wenn auch vielleicht nicht die wahren, aber eben Freunde. Er kam mit dem Geld zurecht, um genauer zu sein, lebte er von dem verdienten Geld nicht schlecht, seine Frau lebte derweil zu Hause und führte den Haushalt, oder wie sie immer zu sagen pflegte, versorgte die Kinder, die ihre ganze Fürsorge brauchten, da sie doch noch
unselbständige Menschen waren. Sie mussten versorgt werden, und aus diesem Grunde konnte sie zum allgemeinen Lebensunterhalt nicht mit beitragen.
Der Mann fügte sich seinem Schicksal, malochte in der Arbeit, schleppte das ganze Geld nach Hause und die liebe Ehegattin nebst Kindern verjubelten die schwer verdienten Kröten. Sie war der Meinung, und da stand sie nicht alleine auf der Welt, dass die einzige wahre schwere Arbeit nur der Haushalt und die Kindererziehung sei. Kein Beruf der Welt war so schwer, wie der einer Hausfrau. Die meisten Männer machten noch nicht einmal den Versuch, diese Meinung der Frauen zu ändern. Und auch Roland ließ seine Frau in dem Glauben, dass dies so sei. Doch einmal kommt der Tag, an dem sich, beim einem mehr, beim anderen weniger, etwas in seinem Leben ändern sollte. Irgendwann haut es mal den einen oder den anderen um. Dann versteht er selber nicht mehr die Welt, und seine Umwelt schon gar nicht. Vorher ein Lebemann, voller Vergnügtheit, immer gut drauf und keine Angst vor nichts.
Von heute auf morgen war Roland ein angstvoller
Typ, nicht mehr fähig sich irgendwie zu beschäftigen, geschweige denn zur Arbeit zu gehen. Jeder Elan und jede Begeisterung waren in Roland verschwunden. Angst erfüllte sein Leben. Eine Angst, die er nicht genau definieren konnte, aber sie war da. Eine Scheißangst. Er wurde nicht mehr verstanden. Warum war dies bei ihm so? So stellte man ihm immer wieder die Frage. Für seine Frau brach eine Welt zusammen. Sie hatte auf einmal einen Mann, der nur noch dasaß und sich für nichts mehr interessierte. Der zwar immer wieder versuchte, sich und seinem Leben einen Sinn zu geben, aber irgendwie die Kurve nicht kriegte.
Sie verstand Roland nicht mehr und wandte sich anderen Dingen zu. Ihr der Mann war nutzlos geworden. Nutzlos für sie und für sich selber, so urteilte sie. Und dies war für sie mehr als nur ein Grund, sich auch einen anderen Mann zu suchen. Schließlich hatte die sie, die befriedigt werden wollten. Und wenn der eigene Mann dies nicht mehr kann, dann wechselt man ihn eben aus. So wie ein Ersatzteil beim Auto. Wenn die Batterie defekt ist, geht man in den Laden und holt sich eine neue. Und so kam, was kommen musste. Sie
verließ ihn, nahm nicht nur seine ganzes Geld, und den Hausstand mit, sondern auch seine geliebten Kinder.
Alleingelassen, von Frau und Freunden versuchte er einen Neuanfang.
Roland lebte jetzt zwischen zwei Häuserblocks, mit einem Fenster zur verkehrsreichsten Straße der Stadt, und auf der Rückseite des Hauses war tatsächlich noch ein Fenster zu einem Hinterhof, in dem Kinder kreischten. Oder war es vielleicht eine Kreissäge, die ihr lautes Heulen von sich gab? War eigentlich auch egal. Er lebte hier in diesen zwei Zimmern, und versuchte sein Dasein zu fristen. Er hatte sich um Haushalt noch nie gekümmert. Doch jetzt war er, da er alleine lebte, gefragt. Die Arbeit im Haushalt lief ihm flott von den Fingern. Das einzige was ihn drückte, war die Einsamkeit. Denn er stand allein in dieser Wohnung, die ihm düster zu sein schien. Er machte so viel Lichter wie nur möglich an, doch es wurde um keinen Deut heller in dieser Wohnung. Im Gegenteil, so meinte er immer, je mehr Licht er entfachte, umso dunkler wurde es im Inneren.
Das Licht aus seinem Leben war verschwunden.
Er wollte doch nicht mehr viel in seinem Leben nur einen Freund. Einen Freund, der hinter ihm stand, der sich immer wieder bereit erklärte, seinem Freund zu helfen. Doch er kam nicht. Roland blieb ganz allein. Und dieses Alleinsein zehrte an seinen Nerven. Seine Gedanken verfingen sich in einem Netz voller Zweifel und Selbstzerstörung. Er kam immer wieder zum Schluss, er war allein.
Roland war aber bis dahin noch nie allein gewesen. Er kannte dies Gefühl nicht, einen Blick zur Decke zu werfen und zu sehen, wie diese immer weiter auf ihn zukam. Wie die Wände sich langsam zum Mittelpunkt des Zimmers schoben und ihn zu zerquetschen drohten. Er versuchte zu entkommen, den auf ihn zuschießenden Wänden zu entfliehen. Doch wohin sollte er gehen? Er hatte weder die Kraft noch den Mut, diesen Raum der Sicherheit zu verlassen. Den einzigen Freund den er im Moment besaß. Die Einsamkeit in den vier Wänden, sie gaben ihm Schutz und Halt, in seiner momentanen Situation. Und doch erdrückten sie ihn gleichzeitig.
Nein sie erdrückten ihn nicht, sondern wollten ihn
zerstören. Ihn vernichten. Die Räume seiner Zuflucht und Sicherheit.
Doch wenn die Freunde nicht seine eigenen vier Wände waren, wer waren sie dann? Immer wieder schrie er aus sich heraus, und doch hörte es keiner: „Wo bist du mein Freund, der mich stützt und mich hält?“
Doch aus der Stille des Raumes kam keine Antwort. Es blieb still.
Durch Arbeit versuchte etwas Lebensmut zu finden, um seinen Lebensunterhalt, den er schließlich bestreiten musste, zu unterhalten. Morgens ging er einer geregelten Arbeit nach und am Abend ging er in seine vier Wände. Tagein, Tagaus. Und immer wenn er in seinen vier Wänden war, betete er: „Wann kommst du mein Freund?“
Doch so oft er auch dieses Wort heraus schrie, keiner wollte oder konnte sie hören. Und so lebte er in einem Alltagstrott, der die wahre reale Welt um ihn herum vergessen ließ.
Und immer wieder setzte er sich am Abend in sein
Zimmer und flehte mit gefalteten Händen:“ Wo bist du mein Freund? Egal wer oder was du bist. Nur komm zu mir.“
Schweißgebadet wachte er an einem Sonntagmorgen auf. Er hatte in der Nacht einen Alptraum gehabt. Im Traum hatte er sich wieder mit seinen alten Freunden eingelassen. Er ging zu ihnen, freute sich mit ihnen und erlebte alle die Freuden, die er zuvor schon immer erlebt hatte, als er noch mit ihnen zusammen war. Doch heute und jetzt hier empfand er dies als Alptraum. Denn sie waren nicht seine Freunde. Er wartete auf seinen einzigen wahren Freund. Einen Freund, der ihn mit all seiner Kraft aufnahm. Der ihm das Paradies zeigte.
Und dieser Freund kam. Er kam zu ihm und sprach mit ihm. „Hallo Roland!“
Roland schaute sich im Zimmer um. Doch er sah niemanden. Keiner war da, der ihm diese Worte hätte sagen können. „Roland, willst du nicht mit mir reden?“
Er sprang auf. „Wer ist da? Wer spricht diese
Worte zu mir?“
„Wer sollte schon diese Worte zu dir sprechen, wenn nicht dein Freund. Dein Freund, auf den du schon so lange wartest.“
„Gib dich zu erkennen. Zeige dich mir.“ Roland stürmte durch die zwei Zimmer seiner Wohnung und suchte den Körper, zu dem diese Stimme gehörte. Der Schweiß lief ihm in Strömen das Gesicht herunter.
„Roland, willst du wirklich einen Körper zu dieser Stimme? Oder ist es dir nicht wichtiger, einen Freund zu haben, den du hören kannst. Deine alten Freunde hatten alle einen Körper und was hattest du davon? Nun bist du ganz allein und hast all diese Freunde verloren.“
„Aber ich kann doch nicht mit der Wand reden. Ich muss doch wissen, mit wem ich rede.“ Er wurde immer nervöser. Die Poren in seinem Körper arbeiteten auf Hochtouren. Sie drückten das Wasser aus dem Körper, wie ein Mensch einen Schwamm ausdrückt.
Die Stimme schwieg.
Roland lief voller Angst noch einmal durch die ganze Wohnung, konnte aber niemanden entdecken. Er war allein in dieser Wohnung. Hatte er schon Halluzinationen? Vielleicht spielten ihm seine sechs Sinne einen Streich. Aber Halluzinationen waren es nicht. So weit war er noch nicht gesunken.
Er kochte sich einen Kaffee in seiner kleinen Kochnische, setzte sich an seinen Tisch und schlürfte ihn in sich hinein.
Die Wohnung blieb still. Wie zuvor, konnte man eine Stecknadel fallen hören. Er war allein.
„Roland, du bist nicht allein. Hier ist dein Freund.“
Er schoss mit seinem ganzen Körper nach oben. Dabei riss er den Tisch um, und der Kaffee ergoss sich über den Fußboden.
„Wer spricht mit mir? Zeige dich.“
Vielen Dank für das Lesen dieser Probe, sie sind am Ende der Leseprobe angelangt.
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