Sommer 1972.
In ihrem Garten vor den Toren einer Großstadt arbeitet eine ältere Frau in ihrem kleinen Gärtchen. Diese Frau hat es in ihrem Leben nie leicht gehabt und doch hat sie es trotz aller widrigen Umstände zu einem kleinen eigenen Häuschen gebracht. Hier lebt sie im Grunde recht zufrieden. Wenn da nicht immer ein paar Neider vorhanden wären, die einem nichts gönnen. Und solche Menschen kennt auch diese Frau.
Ach übrigens sie heißt Tod. Elvira Tod. Ungewöhnlicher Name, nicht war? Aber dieser Name kommt nicht von ungefähr. Früher hieß sie einmal Elvira Siebel. Auch nicht gerade weltbewegend, aber immer noch besser als Frau Tod.
Über ihren heutigen Namen haben sich auch schon viele Menschen lustig gemacht oder den Mund zerrissen. Obwohl man nicht verstehen kann, was an diesem Namen so besonders lustig sein soll. Und doch war es so.
Elvira musste immer wieder viel einstecken. Vor allem, als sie noch kein eigenes Haus hatte, und
sich immer wieder einmal, so spielt das Leben, eine Wohnung beschaffen musste. Sich mit diesem Namen zu bewerben, ist schon Strafe genug.
Bei vielen Vermietern wurde sie, nachdem sie ihren Namen genannt hatte, sofort abgewiesen. Manche Menschen waren eben doch leider abergläubisch. Und jemanden mit solch einem Namen unter dem eigenen Dach zu haben, war für solche Leute eben nicht gerade dienlich.
In ihrem Leben hatte sie keine Kinder bekommen. Dies lag nicht an ihr. Sie wusste, sie hatte die Fähigkeit und auch die Gabe Kinder zu bekommen, aber es lag an ihrem Mann, er war in keinster Weise fähig, Kinder zu zeugen.
Früher, als sie ihn kennen lernte, war ihr dies nicht bewusst. Aber heute, da sie ganz allein hier lebte, war ihr schon klar geworden warum das damals so war. Heute bereute sie vieles, was sie früher alles falsch gemacht hatte. Gut, vieles hatte sie aus Unwissenheit gemacht. Aber wenn ein Mensch verliebt ist, ist er zu vielem bereit, auch wenn es ihm schaden sollte.
Elvira stütze das Kinn auf die Harke, die sie in der Hand hielt und war geistig in der Vergangenheit. Sie hatte auch schöne Momente erlebt. Und ein schöner Moment war, als sie ihren Mann kennen lernte. Und in diesem Moment sah sie, wie damals, als dieser schöne Jüngling auf sie zukam und sich mit ihr unterhielt.
Damals wie heute war sie damit beschäftigt, einen Garten in Ordnung zu bringen, nämlich den ihrer Eltern, als dieser junge Mann an den Zaun herantrat und sie unvermittelt ansprach. Sie wurde verlegen, denn Kontakt zu Männern hatte sie nie besonders gehabt. Denn Elvira war alles andere als eine Schönheit. sie hatte eine kleine aber gut sichtbare Behinderung. Ihre Hüfte war durch einen Unfall nicht mehr richtig zusammengewachsen. Im Grunde nichts Schlimmes. Aber mit diesem Leiden sind leider auch ein paar Pfunde auf den Körper gekommen, was die Sache natürlich für sie nicht erleichterte. Aber sie fühlte sich trotz alledem wohl. Auch wenn kein Mann was von ihr wissen wollte.
Auch das Schicksal meinte es nicht immer gut mit ihr. Immer wieder erlebte sie Tiefschläge, und
haderte auch deswegen des Öfteren mit Gott und sich selbst. Immer wieder bat sie, man möge sie aus dieser Isolation und diesen Missgeschicken endlich befreien, damit sie ein sorgenfreies und gesichertes Leben führen konnte. Aber nichts klappte.
Eben bis zu jenem Tage, als dieser schöne Jüngling an ihrem Zaun auftauchte. Mann, war der schön! Sie führte mit ihm ein längeres Gespräch über die belanglosesten Dinge, die man sich vorstellen kann. Und dann am Schluss des Gespräches lud er sie ein, mit ihm zusammen in die nahe gelegene Eisdiele zu kommen.
Aus diesem ersten Treffen wurden viele. Und die Neider der Stadt tuschelten hinter ihrem Rücken, wie sie es wohl geschafft hatte, dass sich dieser schöne Mann um sie bemühte. Stolz und Zufriedenheit breiteten sich in ihrem Körper aus. Mit diesem Mann an ihrer Seite fühlte sie sich stark und unbehindert. Und sie hatte nur ein Ziel im Kopf, diesen Mann nie wieder loszulassen. In ihm sah sie ihr Glück kommen. Auch wenn die Eltern ein ungutes Gefühl dabei hatten und der Heirat mit den beiden mit gemischten Gefühlen
entgegensahen.
Doch es kam alles wie sie sich es gewünscht hatte. Die Hochzeit wurde besprochen und auch ausgeführt.
Jetzt im Moment sah sich Elvira wieder in ihrem phantastischen Kleid. In einem strahlenden Weiß, bis auf den Boden reichendes in viel Tüll eingehülltes Kleid. Man staunte nicht schlecht in der Stadt, als sie so vor der Kirche auftauchte. Und wieder waren die Neider da, die sich fragten, wie sie dieses Kleid hatte bezahlen können. Sie verdiente nicht allzu viel, in der kleinen Fabrik, in der sie als Packerin angestellt war und ihre Eltern waren auch nicht reich. Ihr Vater arbeitete in einem kleinen Laden als Aushilfe und die Mutter war schon seit langem krank gewesen. Also woher hatten sie das Geld für ein solches Kleid? Keiner konnte sich dies erklären.
Während Elvira so in ihrem Garten dastand, und in der Vergangenheit grub, kam ein Mann des Weges und sprach sie an.
„Sind sie Frau Tod?“ Seine Stimme klang
freundlich und beruhigend. Ein Mann mittleren Alters, gut gekleidet, und man sah ihm an, er war nicht gerade ein Kleinverdiener wie die meisten, die hier wohnten. Er schien nicht aus dieser Gegend zu stammen, dies verriet der leichte Akzent, mit dem er sprach.
Elvira hörte und sah den Mann nicht. Obwohl sie direkt in seine Richtung starrte.
Der Mann wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht und wiederholte seine Worte. „Sind sie Frau Tod?“
„Wie? äh...“ Jetzt erst bemerkte sie einen Mann, der mit ihr zu sprechen schien. „Was, was äh meinten sie?“ Sie fing an zu stottern, gerade so als hätte man sie bei etwas Verbotenem erwischt.
„Ich fragte sie, ob sie vielleicht Frau Tod sind, oder ob sie mir sagen können, wo sie wohnt?“ Der Mann wirkte weiterhin ruhig, geradeso als wenn ihn nichts aber auch rein gar nichts aus der Ruhe bringen könnte.
„Wie? äh...“, Elvira war noch nicht ganz bei der Sache.“ Oh entschuldigen sie bitte, aber ich war
gerade so in Gedanken, ich habe alles um mich herum vergessen.“
„Das macht doch nichts.“ Der Mann lächelte mit viel Verständnis. „Mir geht es manchmal ebenso. Die Vergangenheit hat auch vieles Gutes für uns gebracht. Und warum soll man nicht manchmal darüber nachdenken. Aber ich wollte nur wissen, ob hier eine Frau Tod wohnt.“ Er lächelte unentwegt weiter.
„Ja, aber sicher. Ich bin Frau Tod. Was kann ich denn für sie tun, denn kennen, nein kennen tue ich sie nicht!“ Fieberhaft kramte sie in der Vergangenheit, ob sie wohl diesem Mann schon einmal begegnet war. Doch sie musste es sich selber verneinen. Sie kannte diesen Herrn nicht.
„Ich möchte sie in einer delikaten Sache sprechen.“ Er wurde leiser. Als wollte er damit andeuten, mit ihr ein Geheimnis zu teilen.
Aus diesem Grunde forderte Elvira ihn auf, ihr in das Haus zu folgen. Ohne Worte gingen beide auf das Haus zu.
Im Inneren angekommen, staunte der Mann nicht
schlecht. Nicht nur, dass das Häuschen von außen sauber hergerichtet war, auch von innen konnte es sich sehen lassen. Alles in diesem Haus war vom feinsten. Ob es die Deckchen waren, die die einzelnen Tische bedeckten, oder die Gläser, die in einer Vitrine standen. Nichts war dem Zufall überlassen, alles passte zusammen wie die Faust aufs Auge.
Die Möbel waren allesamt im gleichen Stil gehalten. Man kam sich vor, als wäre hier die Zeit stillgestanden irgendwo in der Biedermeierzeit.
Elvira bot ihm nicht nur einen Platz sondern auch ein Getränk an, was er beides gerne annahm.
Nachdem beide mit dem nötigen versorgt waren, setzte sich auch Elvira zu dem Fremden und betrachtete ihn aufmerksam. Vorerst schwieg sie noch, denn sie wollte nicht den Termin bestimmen, an dem der Fremde anfangen sollte zu erzählen.
Es dauerte noch ein paar Minuten, als der Fremde mit dem Satz: „Mein Name ist Plum. Richard Plum.“ begann. Dann holte er tief Luft, geradeso, als wollte er damit sagen, wie schwer ihm das fallen
sollte, was er hervorzubringen hatte.
Elvira schwieg weiter.
„Nun“ sprach er weiter, „es ist nicht ganz leicht für mich, wo ich anfangen soll zu erzählen.“ Er legte eine Schweigeminute ein, die Elvira nutzte, um ihn aufzufordern, einfach geradewegs heraus zu sprechen.
„Also gut.“ Diesmal machte er keine Pause, sondern fuhr mit seinem Satz sofort weiter. „Geradewegs heraus damit. Ich habe ein Problem, bei dem sie mir helfen können. Es geht um meine Frau. Sie ist eine sehr reiche Frau, aber geizt mir gegenüber nicht nur mit dem Geld. Aber darum geht es mir letztendlich. Auf alles kann ich verzichten. Aber Geld, nun ich brauche das wie die Luft zum atmen.“ Wieder machte er eine Pause und starrte dabei in Elviras Augen, um ihre Reaktionen aufzunehmen.
„Gut es ist ihr Geld, aber mit der Heirat hat sie nicht nur die Freuden mit mir zu teilen.“ Richard nahm einen kräftigen Schluck Tee und einen Keks, von der reichlich gedeckten Schüssel.
Er erzählte weiter, immer wieder von kleinen Pausen begleitet, um einen Schluck zu nehmen, oder von den Keksen abzubeißen.
Elvira dachte bei sich, ein so gut gekleideter Mann, aber Manieren besaß er so gut wie keine.
Richard berichtete, wie seine Frau ihn drangsalierte und behandelte, als wenn er nur der Fußabtreter für sie wäre. Am Anfang war viel Liebe dabei, um all diese Dinge zu ertragen. Aber mittlerweile verschwand die Liebe mehr und mehr und Hass machte sich in seinem Herzen breit.
Und nun kam er zum eigentlichen Thema. „Sie haben doch eine bestimmte Gabe? Oder irre ich mich?“ Die Pause die er diesmal machte, war mehr als nur bewusst.
Er erwartete eine Antwort von Elvira.
Vielen Dank für das Lesen dieser Probe, sie sind am Ende der Leseprobe angelangt.
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