Flohmärkte sind Orte, an denen Menschen zu Dingen kommen, die man im herkömmlichen Laden nicht kaufen kann, oder zumindest schwer bekommt. Jeder Mensch, der sich einmal für so etwas interessiert hat, kommt in der Regel von diesem Geschäft nicht mehr los. Sei es als Verkäufer oder Käufer. Flohmärkte haben eine besondere Anziehungskraft, die sich keiner erklären kann. Manch ein Mensch ist regelrecht besessen, sich jede freie Minute dort herum zu treiben. Immer in der Hoffnung etwas Besonderes zu finden, wonach er womöglich noch nie gesucht hat.
Shanon Klevers war auch so eine Frau. Immer wenn sie Zeit hatte und in ihrer Nähe ein solcher Markt stattfand, verbrachte sie etliche Stunden damit, die Kisten und Tische der Verkäufer zu durchwühlen. So manch ein gutes Stück stand schon bei ihr zu Hause, welches sie auf den Märkten erstanden hatte. Sie sammelte alles und nichts. Sie fixierte sich nichts, sondern kaufte aus dem Bauch heraus. Wenn ein Gegenstand sie magisch anzog, musste sie ihn haben, nicht koste es was es wolle, aber sie handelte und schacherte, bis der Preis stimmte.
An diesem Samstag war sie auch wieder auf so einem Markt unterwegs. Kein besonders großer, aber feiner. Hier waren immer Händler aus der größeren Umgebung und das machte ihn so interessant. Dadurch war das Warensortiment weitaus größer, als wenn hier nur die Menschen aus der näheren Umgebung etwas verkauften.
Unbeirrt lief Shanon von Stand zu Stand, nahm diesen und jenen Gegenstand in die Hand, prüfte und wiegte ihn, rechnete sich bei manchen dieser Dinge den Preis, den sie dafür ausgeben wollte aus und begann dann zu handeln.
Doch bis hatte jetzt kein Glück. Die Preise, die sie für diverse Gegenstände ausgeben wollte, akzeptierten die Händler nicht, ihnen war dies zu billig und sie wollten schließlich mehr daran verdienen, als Shanon bereit war, auszugeben. Immer wieder stellte sie die verschiedenen Gegenstände hin, um dann voller Enttäuschung weiter zu gehen.
An einem kleinen Tisch, kaum beachtenswert - die meisten Käufer liefen an ihm vorbei - so unscheinbar war er, blieb sie wieder stehen und
starrte wie gebannt auf einen bestimmten Gegenstand. Ein Messer von besonderer Schönheit strahlte sie an. Für Messer hatte sie sich noch nie interessiert, aber dieses schien förmlich mit ihr zu reden. So als vernahm sie eine innere Stimme: ‘Nimm mich, denn ich will dir gehören’. Gebannt starrte Shanon auf dieses reichlich verzierte Messer. Es war in der Form und den Farben im Grunde nichts Besonderes. Aber die reichlichen Verzierungen, die man beim bloßen Hinsehen gar nicht richtig erkennen konnte, faszinierten sie. Ihre Augen klebten förmlich auf dem Messer.
„Nehmen sie es ruhig in die Hand", sprach eine ruhige, fast schon geflüsterte Stimme sie an.
Kurz sah sie auf und blickte in ein Paar seltsame Augen. Sie funkelten, als wenn sie mit einer Politur aufgemöbelt worden wären. Und doch wirkten sie beruhigend auf Shanon.
„Nehmen sie es ruhig in die Hand und schauen sie es sich in aller Ruhe an.“ Wieder sprach diese beruhigende Stimme auf sie ein.
Irgendetwas hinderte Shanon daran, es in die
eigenen Finger zu nehmen. Der Drang dieses Messer zu besitzen, ja es förmlich an sich zu drücken, war da. Aber gleichzeitig war eine Wand zwischen ihr und dem Messer. Wie eine unsichtbare Barriere, die sie hindern wollte, es zu berühren. Wie eine innere Stimme, die ihr sagte, lass lieber die Finger davon, wer weiß, worauf du dich da einlässt.
Shanon war hin und her gerissen, zwischen haben wollen und lieber liegen lassen.
Der Mann an diesem Stand, der fast wie ein Araber gekleidet war, auch dessen Hautfarbe hatte, nahm das Messer in die Hand und hielt es Shanon hin. Ja er drängte sie förmlich dazu es in die Hand zu nehmen.
Doch noch immer zierte sie sich. Irgendetwas hinderte sie daran, die Hände auszustrecken und einfach diesen Gegenstand zu begutachten.
„Nehmen sie es, es beißt nicht und schneidet sie nicht, es wird sie auch nicht anspringen.“ Seine Art mit ihr zu reden, wirkte fast schon einlullend. Shanon konnte nicht anders, als Vertrauen zu
diesem Mann zu fassen.
Langsam streckte sie ihre Arme aus, um diesen Gegenstand zu greifen. Mehr zögernd als willig. Ihr Verstand sagte nein, doch ihr Körper schien ihr nicht zu gehorchen.
Kurz bevor ihre Fingerspitzen das Messer erreichten, zog sie die Hände wieder zurück. „Nein, ich glaube ich möchte doch nicht dieses Messer.“ Dabei schüttelte sie eifrig mit ihrem Kopf und ging eiligst zum nächsten Stand.
Der Mann schickte ihr ein Lächeln hinterher. Eine Weile betrachtete er noch die Frau, als sie sich die Auslage am nächsten Stand betrachtete. Dann legte er mit äußerster Vorsicht das Messer wieder auf den Tisch, fuhr mit einem weichen Lappen darüber und kümmerte sich nicht mehr um Shanon.
Sie hatte einen verstohlenen Blick nach hinten gewagt und dabei zugesehen, wie dieser Mann das Messer wieder an seinen Platz gelegt hat und es mit diesem weichen Tuch poliert hat. Geradezu liebevoll wirkten die Gesten, wie er es behandelte.
Plötzlich richtete sie sich vollends auf, machte auf dem Absatz kehrt und ging an diesen Tisch zurück. Ohne lange zu zögern nahm sie das Messer in die Hand und unterzog es einer genaueren Prüfung.
Der Mann grinste von einer Backe zur anderen. Er wusste, wenn sich einmal ein Mensch dafür interessiert hatte, konnte er nicht mehr anders, sondern musste zurück kommen, um den Glanz, ja diese Macht, die von dem Messer ausging zu besitzen.
Shanon begutachtete die Schriftzeichen und Verzierungen auf dem Messer. Sie konnte weder die Herkunft noch die Schriftzüge entziffern. Sie wusste nur, es war wunderschön. Faszinierend und zugleich beängstigt starrte sie auf diesen in ihrer Hand liegenden Gegenstand. Langsam fuhr sie mit den Fingern über das gesamt Messer. Und trotz seiner metallischen Herstellung, wirkte es in der Hand wie ein samtenes Kissen. Immer wieder fuhr sie mit den Fingern darüber.
„Woher stammt dieses Messer?“ Wollte sie vom Verkäufer wissen.
„Wenn ich ehrlich bin, weiß ich dies nicht einmal. Die Inschriften, die auf dem Messer geritzt sind, könnten phönizisch sein, aber es tut mir wirklich leid. Ich weiß es nicht und habe auch noch niemanden danach gefragt.“ Er wandte sich einer anderen Käuferin zu, die sich für die Seidenschals auf diesem Tisch interessierte.
Durch Shanon ging plötzlich ein Ruck durch den Körper, gerade so als wenn sie einen Stromschlag erhalten hatte. Sie machte einen Schritt auf den Händler zu und unterbrach sein Gespräch: „Was soll es kosten?“
Der Händler wiegte den Kopf hin und her, machte: „Hm“ des Öfteren und starrte dabei mal auf das Messer mal auf Shanon.
„Nun sagen sie schon, sonst lege ich ihnen dreißig Pfund hin und verschwinde damit.“ Sie wollte unbedingt in den Besitz dieses Messers kommen.
„Ja, ist in Ordnung. Das ist der Preis.“ Und damit streckte er seine Hand aus, während Shanon in ihrer Tasche nach der Geldbörse kramte, dreißig Pfund herausnahm und sie dem Händler übergab.
„Soll ich es einpacken?“ fragte er höflich.
„Nein, nein. Ich nehme es so mit.“ Damit steckte Shanon es in die Tasche, es war allerdings etwas größer als diese, und schaute deshalb etwas heraus, aber dies störte Shanon nicht. Selig etwas, was sie meinte, besonderes ergattert zu haben, ging sie weiter. Sie blieb noch an dem einen oder anderen Stand stehen, aber etwas Interessantes fand sie nicht mehr. Sie hatte auch schon etwas gefunden, was ihre Aufmerksamkeit erregt hatte und sie hatte es zu einem Preis bekommen, der weit, so war sie jedenfalls der Meinung, unterhalb des tatsächlichen Wertes lag.
In Gedanken hatte sie auch schon die Stelle, an der sie dieses Messer aufstellen wollte ausgemacht. Auf ihren Kaminsims musste sich dieser Gegenstand recht gut machen.
Langsam, nicht ohne noch hier oder da zu schauen, machte sie sich auf dem Heimweg.
Zu Hause angekommen zog sie das Messer aus der Tasche und legte es auf ihren Kaminsims. Doch egal wie herum sie es auch hinlegte, es wirkte
nicht. Es verlor sich auf dem Sims, als sei es überhaupt nicht vorhanden.
Dann fiel ihr ein kleiner Holzklotz ein, den sie einmal im Wald gefunden hatte, der ihr besonders gefallen hatte und für den sie zwar in dem damaligen Moment keine Verwendung wusste, aber heute und hier wusste sie wofür er zu gebrauchen sei. Sie holte den Klotz aus dem Keller, stellte ihn zuerst auf den Tisch und stach dann mit einiger Kraft das Messer hinein, so dass es von allein stehen blieb. Klotz mitsamt Messer stellte sie daraufhin auf den Sims und lobte sich selbst. „Ja, so sieht es gut aus.“ Bewunderte ihr Werk von allen Seiten und war mit sich selber zufrieden.
Immer wieder musste Shanon ihren Blick zu dem Messer wenden. Es zog sie magisch an, Immer wieder stellte sie sich vor das Messer und starrte den reichlich verzierten Griff an. Irgendetwas wollte ihr dieser Griff sagen, aber sie verstand nicht was.
Einige Tage vergingen und die Prozedur wiederholte sich. Shanon kam nach Hause, oder betrat gerade das Wohnzimmer und ihr erster Gang
war der zum Messer. Vor dem Messer blieb sie einige Minuten, weit von sich selber entfernt, stehen und starrte den Griff an. Insgeheim wusste Sie, es hatte viel zu erzählen aber was? „Was kannst du mir erzählen?“ Leise sprach sie mit dem Messer.
Doch es blieb nichts als Schweigen.
Shanon wollte ein paar Tage bei ihrer Freundin verbringen, packte deshalb ein paar Sachen ein und fuhr mit dem Zug dorthin. Sie blieb ganze zwölf Tage, mehr als eigentlich geplant.
Als sie das Wohnzimmer betrat, traute sie ihren Augen nicht. Das Messer lag auf dem Boden und der kleine Holzklotz war gespalten. Nachdem sie Messer und Holzklotz aufgehoben hatte, begutachtete sie die beiden Holzteile. Sie waren sauber auseinander getrennt, gerade so, als wenn einer mit einer Säge den Klotz zerteilt und dann mit Schleifpapier die Flächen poliert hätte.
Vielen Dank für das Lesen dieser Probe, sie sind am Ende der Leseprobe angelangt.
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