London ist im Allgemeinen wirklich eine schöne Stadt. Nicht nur was das Stadtbild betrifft und all die Sehenswürdigkeiten, sondern auch alles andere, was so in dieser Stadt los ist. Man möchte hierbei zum Beispiel den Flohmarkt erwähnen. Es gibt keinen schöneren, als den in London. Doch auch die Geschäfte, vor allem die in den Seitenstraßen sind erwähnenswert.
Da gibt es vielerlei zu sehen. In manchen Läden kann so manch einer ein Schnäppchen machen. So wie an jenem Dienstagvormittag, als Lucie Jordan mit ihrem Freund Peter Wright zu einem Stadtbummel aufgebrochen waren. Sie war immer schnell für etwas zu begeistern, während für Peter diese Bummel eher Frust als Lust bedeuteten. Nur seiner Freundin zuliebe machte er sich auf diesen schweren Gang und begleitete sie.
Vor fast jedem Schaufenster blieb sie stehen und schaute sich die Auslage genauer an. Fand sie diese interessant, so betrat sie den betreffenden Laden und stöberte lange darin herum. Dies konnte mitunter schon über eine Stunde dauern. Sie nahm in diesem Moment die Zeit nicht wahr. Für sie galt nur, etwas zu finden, an dem sie
Freude hatte, oder aber, was für sie ein wichtiger Bestandteil ihres Leben wäre. So jedenfalls drückte sie sich immer gegenüber Peter aus. Was sie darunter verstand, war ihm bis jetzt noch nicht klar geworden. Sie jedenfalls konnte es auch nicht näher erklären.
So kamen sie auch zu einem Antiquitätengeschäft, in dessen Auslage nicht allzu viel zu sehen war. Lediglich eine Kommode, ein Sekretär, etwas Schmuck und alte Pfeifen. Doch in der hintersten Ecke des Schaufensters stand ein Sessel. Ein richtiger Ohrensessel, wie ihn früher Lucies Oma in der guten Stube hatte. Er sah natürlich nicht mehr neu aus. Im Gegenteil. Er wirkte sehr zerschlissen und an den Nähten sah man bereits, diese wollten sich vom Sessel trennen. Und doch hatte Lucie gleich einen Blick in ihren Augen, als träumte sie von einer Weltreise und war schon zu diesem Ziel unterwegs.
Was dies für Peter hieß, hatte er sofort verstanden. Nun hieß es erst einmal ab in den Laden und stöbern. Hier schien sie wieder nach ihrem Selbstwertgefühl zu suchen. Peter hegte die Hoffnung, es würde nicht allzu lange dauern.
Schließlich waren sie bereits fünf Stunden unterwegs und sein Magen knurrte wie ein Löwe, dem man sein Fressen entwendet hatte. Auch seine Zunge gehorchte ihm nicht mehr so richtig. Sie klebte mehr am Gaumen, als dass sie ihm zu sonst noch irgendetwas nütze war. Was er brauchte, war ein deftiges Steak und ein, zwei Bier dazu. Doch da stieß er bei Lucie auf taube Ohren. Sie war erst dazu bereit ihm nachzugeben, wenn sie etwas gefunden hatte. Und keine Minute vorher. Darum hatte er jetzt, da sie endlich in der Auslage etwas zu sehen schien, die Hoffnung, es würde für ihn nicht weiter ein Traum bleiben, was das Essen betraf.
Lucie stürmte mehr, als dass sie lief, in den Laden, übersah dabei die eine Stufe, die in den Laden führte und stolperte so darüber, dass sie die Türklinke verfehlte und direkt in die Scheibe griff. Zum Glück war die Tür nur angelehnt, und dadurch gab sie Lucies wilden Stürmen nach und sie verletzte sich nicht. „Na, na. Nun mal langsam mit den jungen Beinen. Sie können doch auch gemächlich meinen Laden betreten. Es sei denn, Sie beabsichtigen, ihn von Außen nach Innen zu zerstören. Dann sollten Sie einen zweiten Versuch
starten...“
Als dies der Antiquitätenhändler zu Lucie sagte, lachte er über sich selbst. Er empfand es witzig, doch Peter und Lucie konnten darüber nicht lachen. Im Gegenteil, sie konterte: „Sie sollten ein Schild an der Ladentür anbringen. Vorsicht Stufe! Man könnte sich ja im Eingangsbereich den Hals brechen. Ich hoffe, sie sind gut versichert, damit sie dann solche Schäden nicht aus der eigenen Tasche bezahlen müssen.“
Der Händler merkte, dass seine Witze bei diesen Kunden nicht ankamen. Also verhielt er sich erst einmal still. Denn er wollte sie ja schließlich nicht verprellen, was er damit getan hätte, wenn er in diesem Moment seiner Wut über die Bemerkung der Frau Luft gelassen hätte. Er wandte sich ab, um sich seinen Tätigkeiten weiter zu widmen. Er hatte zwar im Grunde nichts Wichtiges zu tun, aber er verhielt sich ihnen gegenüber so, als wenn er andere wichtige Dinge zu erledigen hätte.
Der Laden wirkte kleiner, als er in Wirklichkeit war. Durch die zum Teil sperrigen Gegenstände, die hier herum standen, bekam sein Aussehen eher
einem Lager als denn einem Laden. Lucie versuchte, sich um die Möbel herum zu kämpfen. Sie wusste schon längst, was und wohin sie wollte. Sie wollte in diesem Laden nicht noch etwas Besonderes finden. Sie wollte allein den Sessel. Koste es was es wolle. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt diesen Sessel zu besitzen. Auch wenn er überhaupt nicht zu all den anderen Möbeln die sie besaß passte. Dies war ihr egal. Wichtig war nur, dieser Sessel musste her!
Von alledem ahnte Peter noch nichts. Er schlich ihr hinterher, und wunderte sich nur, dass sie im Grunde eigentlich nichts anschaute. Sondern an allem vorbeilief. Warum nur dieses Verhalten, dachte er bei sich? Hatte sie doch schon was im Blickwinkel gehabt, von dem er noch keine Ahnung hatte?
Als Lucie beim Schaufenster angekommen war, schaute sie sich den Sessel etwas näher an. Und sie sagte zu sich selber: „Ein wunderbares Stück. Der würde genau neben das Fenster im Wohnzimmer passen.“
Peter sah sie von der Seite an. „Du willst doch
nicht etwa dieses hässliche Ding da kaufen. Den würde ja nicht einmal meine Großmutter in die gute Stube lassen.“ Erstaunt und gleichzeitig entsetzt starrte er seine Freundin an. Nein dies konnte doch nicht ihr Ernst sein. Dieses hässliche schäbige Ding. Jeder der zu ihr in die Wohnung kommen würde, würde doch wieder rückwärts davonlaufen. Dies war ihm jetzt schon klar.
Doch nichts desto trotz. Lucie beharrte darauf ihn zu besitzen.
Völlig verträumt schaute sie den Sessel an.
„Nein dies ist doch nicht dein Ernst. Komm mal wieder auf den Boden der Tatsachen.“ Peter verstand seine Freundin nicht. Sicher hatte sie schon immer einen gewissen Spleen gehabt. Aber dieser würde dem Fass die Krone aufsetzen.
„Sie haben sich ein wirklich seltenes Stück ausgesucht. Alles andere sucht seinesgleichen. Ich kann ihnen dieses Möbelstück nur empfehlen. Es wäre eine Bereicherung für Sie.“ Der Antiquitätenhändler hatte sich leise von hinten an die beiden herangeschlichen, ohne dass sie es
bemerkt hatten.
„Ja eine Bereicherung für den Sperrmüll. Zu mehr taugt doch dieser Sessel nicht.“ Peter ließ seinem Frust vollen Lauf.
„Jetzt mach aber mal halblang. Etwas aufpolieren muss man ihn schon, aber dann ist es ein wirkliches Prachtstück. Was soll er denn kosten?“ Lucie richtete sich an den Händler.
„Für dieses Prachtstück ist der Preis geradezu lächerlich. Nur sechshundert Pfund. Sagen Sie selbst, ist doch fast geschenkt.“ Selbstsicher nannte er ihr den Preis, „Na ja, untertrieben ist der Preis bestimmt nicht. Aber als zu billig würde ich ihn auch nicht gerade bezeichnen. Ich biete ihnen Vierhundertfünfzig Pfund. Damit wäre er immer noch überteuert.“ Wer Lucie kannte wusste, dass sie schon immer gerne geschachert hatte. Aber über solche Preis zu schachern, verstand Peter nicht. Dieses Möbelstück war keine Zehn Pfund wert in seinen Augen, und die beiden schmissen mit den Hundertern nur so um sich. Nein das war für ihn nicht zu verstehen.
„Ich bitte sie gute Dame. Das was sie mir da anbieten kann nicht ihr Ernst sein.“
„Siehst du, sogar der Händler sagt, dass dies zu viel ist. Also lass diese Spielchen und wir gehen.“ Peter sah sich im Geiste schon als Sieger.
„Das habe ich nicht gesagt. Im Gegenteil. Das Angebot, das mir ihre Gattin machte, find ich sehr untertrieben. Ich nannte ihnen meinen Preis für dieses Stück. Und davon weiche ich nicht ab.“ Er wurde noch etwas energischer. Vielleicht wirkte sich aber auch das Anfangsgespräch jetzt etwas aus. Wer wusste dies schon.
„Also gut. Ich lass mich breitschlagen und zahle Fünfhundert Pfund. Aber damit muss es genug sein. Sie wissen selbst, dass er dies nicht wert ist.“ Auch sie machte den Versuch energisch auszusehen. Was ihr auch gut gelang.
Peter sah von einem zum anderen. Das was er hier sah und miterlebte, konnte nichts anderes sein als ein Traum. Dies war nicht die raue Wirklichkeit. Bestimmt würde er gleich aufwachen und sehen, dies habe er nur geträumt. So war das bei ihm immer. Wenn im Traum etwas unwirklich wurde, wachte er auf. Doch er sollte sich irren. Denn er wachte nicht auf, da er sich in einem Zustand
befand, den man als nicht wacher bezeichnen konnte.
„Wissen sie schöne Frau, ich muss auch von etwas Leben. Aber weil sie mir so sympathisch sind, komme ich ihnen etwas entgegen. Sagen wir Fünfhundertfünfzig. Sind sie damit einverstanden?“ Er lächelte etwas Süß Sauer, als er ihr den Vorschlag unterbreitete. So als wollte er sagen, friss Vogel oder stirb.
Lucie besah sich das gute Stück noch einmal genauer. Sicher hatte sie damit noch viel Arbeit. Aber anderseits.
„Ach was soll’s. Ich bin einverstanden. Ich nehme ihn. Er soll es gut bei mir haben.“
„Wovon redest du da eigentlich? Ist dies ein Vogel oder gar ein Hund? Die könnten es gut bei dir haben. Aber dieses Möbelstück, wie soll es bei dir gut haben? Willst du es wohl etwa auch noch füttern?“ Peter verstand die Welt nicht mehr. Das Verhalten seiner Freundin setzte ihm mehr als nur ein Rätsel auf.
„Gut, ich werde ihnen das gute Stück Morgen anliefern. Sind sie damit einverstanden?“ Damit winkte er sich die beiden hinterher. Um an der Kasse alle notwendigen Formalitäten aufzunehmen.
„Nein ich möchte ihn lieber gleich mitnehmen. Wenn sie nichts dagegen haben.“ Und dabei zückte sie ihr Portemonnaie aus der Umhängetasche und blätterte die gesamte Summe auf den Tisch. Peters Gesicht schlug Purzelbäume. Sie meinte es tatsächlich ernst. Wie konnte man nur so blöd sein. Er beherrschte sich allerdings noch etwas zu sagen. Er wollte schließlich keinen Unfrieden in seiner Beziehung haben. Also schloss er seinen Mund zu und ließ sie gewähren. Er wusste, er hatte jetzt keine Chance, etwas gegen diesen Sessel und dessen überteuerten Preis zu sagen.
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