Sylvia und Kenneth Reith sind schon seit langem auf der Suche nach einem geeigneten Zuhause. Dazu haben sie in den letzten Wochen schon fast ganz London auf den Kopf gestellt, um das ihnen entsprechende Haus zu finden. Doch trotz aller Bemühungen und Anstrengungen sind sie bis jetzt ohne Erfolg geblieben. Ziellos irren sie durch die Straßen, die Hoffnung etwas zu finden, was zu ihnen passt beziehungsweise zu dem sie passen, schwindet von Tag zu Tag. Immer wieder sagen sich, „Wir werden schon noch das passende finden. Wir dürfen nur die Hoffnung nicht aufgeben.“
Doch heute war wieder einer solcher Tage, an dem sie alles hinschmeißen konnten und alles zum kotzen fanden. Keiner, aber auch wirklich keiner konnte ihnen helfen. Nicht, dass nichts zu finden war, dem war nicht so, aber aus irgendeinem unerfindlichem Grunde hatten sie sich einen bestimmten Stil ihres neuen Heims zurechtgelegt, der sich allem Anschein nach nicht realisieren ließ.
In einem Pub kehrten sie ein, um ein Glas Bier zu trinken und vielleicht die Träume zu ersäufen. Träume, an denen sie so lange festgehalten hatten. Es deprimierte beide, diesen Traum von
einer herrschaftlichen Villa zu begraben. Vielleicht sollten sie sich selber sagen, solch ein Haus gibt es hier nicht, also werden wir ein ganz gewöhnliches kaufen und uns darin gemütlich einrichten.
Der Wirt, war ein lebenslustiger Kerl, den nichts umhauen konnte. Er konnte nur eines nicht ertragen, und zwar, wenn einer seiner Gäste deprimiert, traurig oder gar wütend war. Dann kam seine Samariterseele zum Vorschein und ob er wollte oder nicht, er musste helfen.
Als er diese beiden traurigen Gestalten sah, zapfte er sich auch ein Bier, setzte sich ohne zu fragen an den Tisch der beiden und erkundigte sich ohne lange zu überlegen: „Was habt ihr denn für ein Problem? Jedes Problem kann man beseitigen. So bestimmt auch eures. Also erzählt mal.“
Damit nahm er einen kräftigen Schluck aus seinem Glas, knallte es auf den Tisch und sah die beiden fordernd an. Die beiden sahen sich an und wussten mit dem Wirt nicht so recht was anzufangen. Dieser nicht frech, forderte sie nochmals auf: „Na was ist?“
Kenneth fasste sich ein Herz. Der Wirt war ein Mensch, man konnte nicht anders, als ihm die volle Wahrheit zu sagen. Im Grunde wäre er ein unheimlich guter Kriminaler geworden. Kein Bandit der Welt hätte gegen ihn bestanden. Alle hätten ausgepackt.
Kenneth fühlte sich nicht einmal überrumpelt, als er anfing von ihren Träumen, vom eigenen Heim zu erzählen. „Ja aber ein eigenes Heim zu finden, vor allem, wenn die Knete vorhanden ist, ist doch nun wirklich kein Problem.“ Der Wirt verstand im Moment die beiden nicht.
„Ja, wenn man ein einfaches Häuschen will, dann ist es schon kein Problem. Aber wir haben uns in den Kopf gesetzt, eine Art herrschaftliche Villa, im viktorianischen Stil zu erwerben. Wissen sie, so wie vor Ein- Zweihundert Jahren. Und so etwas suchen wir.“
Der Wirt strich sich mit seiner robusten Hand, über sein nicht rasiertes Kinn. „Und das soll ein Problem sein? So ein Haus gibt es doch, und nicht einmal so weit von hier.“ Just in diesem Moment wurde er vom Nachbartisch unterbrochen. „Du meinst doch
nicht etwa die Hensen Villa, Joe?“ Der Mann am Nachbartisch musste seine Ohren zum Zwecke des zuhören sehr gespitzt haben. Denn die drei unterhielten sich in gemäßigtem Ton.
„Ja, die meine ich, warum?“ Joe drehte sich zum Nachbartisch um.
„Du weißt genau“, und damit nahm er sein Bier stand auf und setzte sich unaufgefordert an den Tisch zu den dreien. „Dort soll es spucken. Den Geist haben schließlich schon andere gesehen, außer mir.“
„Was ihr immer mit diesen Gespenstergeschichten habt. Ich habe schon des Öfteren gesagt, Gespenster gibt es nicht.“ Joe schüttelte seinen markanten Kopf.
„Und ich sage dir, dort gibt es Gespenster.“ Wieder mischte sich der ungebetene Gast ein.
In dem Moment, als Joe wieder etwas erwidern wollte, ergriff Kenneth das Wort. „Darf ich vielleicht auch einmal etwas sagen?“ Er schaute in die Runde
Nachdem keiner der beiden anderen widersprach, fuhr Kenneth fort, „Was heißt hier Hensen Villa und was heißt hier Gespenster?“ Kenneth hatte Feuer gefangen. Seine Augen glänzten, so konnten sie nur wegen übermäßigen Alkohols oder aber vor lauter Freunde und Glück glänzen.
Joe holte tief Luft und der Fremde begann zu erzählen.
„Vor vielen Jahren, ich weiß nicht mehr wie lange es her ist, hat in diesem Haus eine Familie gelebt. Sie waren konservativ und hatten auch dementsprechend viel Personal. Unter anderem auch schwarzes Personal. Dies wäre an sich nicht so schlimm, denn wer hatte damals nicht solche Menschen zum eigenen Wohlgefallen eingestellt. Dass sie natürlich ihr Personal ausbeuteten, bedarf wohl keiner weiteren Erklärung. Sie nutzten sie aus, wo sie nur konnten.“
Er wurde von Joe barsch unterbrochen: „Jeremaja, du kommst vom Thema ab!“
„Oh entschuldige. Doch wenn ich am erzählen bin, schwelge ich manchmal etwas. Also, die
Familie lebte zurückgezogen und dadurch erfuhr die Bevölkerung nicht alle ihre Schandtaten, die sie mit den Schwarzen trieben. Jedenfalls soll der Hausherr sich immer wieder an den Mädchen und Frauen ihres Personals vergriffen haben. Sogar die Ehefrau hatte immer wieder munter mitgemischt. Bis eines Tages ein Mädchen so sehr hergenommen wurde, dass es an diesen Folgen starb. Es sei noch kurz erwähnt, dass die Großmutter dieser kleinen auch auf diesem gut gelebt hatte, alles mitbekommen und die Herrschaften mit einem Fluch belegte. Diese kamen auf schreckliche Weise ums Leben, wer an ihrem Tod allerdings Schuld war, konnte niemand je herausfinden, jedenfalls fand man sie auf einem Feld mit abgetrennten Körpergliedern. Sie müssen einen qualvollen Tod gestorben sein. Und seit dieser Zeit wirkt der Fluch der alten Schwarzen und sie müssen in diesem Haus auf alle Ewigkeit herumgeistern. Und ich möchte noch einmal betonen, ich habe diese Geister auch schon gesehen, obwohl hier mir niemand glaubt.“
Mit diesem Satz schloss er die Geschichte, setzte sein Glas Bier an die Lippen und trank wie ein Mensch der gerade aus der Wüste gekommen war,
das ganze Glas mit einem Zug.
Joe schüttelte sein schweres Haupt und brummelte in seinen: „Alles Humbug. Es gibt keine Geister. Diese Geschichte ist nur erfunden worden, weil dieses Gemäuer uralt ist.“
„Das stimmt in keinster Weise.“ Jeremaja entrüstete sich über das spöttische Gelächter Joes.
„Ja und was ist nun mit dieser Villa? Kann man sie besichtigen oder gar kaufen?“ Kenneth, aber auch seine Frau waren mehr wie nur Feuer und Flamme dieses Haus zu sehen, ja eventuell auch in ihren Besitz zu bringen.
„Ich weiß nur, ein Notar, der in der City seinen Sitz hat, soll schon des Öfteren versucht haben, dieses Anwesen zu verkaufen, was im allerdings bis dato nicht gelungen ist.“ Mit gleichgültiger Mine sprach er zu den beiden. „Die Adresse kann ich euch geben, dies ist kein Problem.“ Damit stand er von seinem Platz auf und ging hinter seine Theke, beugte sich nach unten, so dass er nicht mehr zu sehen war, kramte hinter der Theke herum, was jeder in diesem Raum hören konnte,
streckte kurz darauf wieder seinen Kopf hervor und stapfte mit schweren Schritten wieder zum Tisch. Dort übergab er den beiden einen Zettel, auf dem er Anschrift und Namen des Notars notiert hat und meinte lapidar: „Ich an eurer Stelle würde mich direkt an den Notar wenden. Er wird euch sicher weiterhelfen können.“
Mit großen Augen nahmen Kenneth und Sylvia die Visitenkarte entgegen, standen von ihrem Platz auf und Kenneth ergriff die mächtige Pranke von Joe, um sie so derart zu schütteln, Joe hatte alle Mühe sie ihm wieder zu entreißen. „Wie kann ich mich bei ihnen nur bedanken?“ Außer sich vor Freude wirkte Kenneth.
Beide verabschiedeten sich von der lustigen Gesellschaft und wollten sich auf den Weg zum Haus machen, als Kenneth einfiel, er hatte noch gar keine Ahnung wo genau denn diese Villa stünde. Er drehte sich deshalb noch einmal um und rief zu der Gesellschaft, man möge ihm doch sagen wo die Villa stünde. Joe zeigte in Südliche Richtung und meinte dazu, dass sie zwei Blocks weiter sei. Noch einmal verabschiedete sich Kenneth von allen und machte sich zusammen mit
seiner Frau auf den Weg dorthin.
Sie war leicht zu finden, nicht nur durch die Beschreibung von Joe, sondern, weil sie ein Imposantes Haus war. Übersehen konnte man es nicht. Und Kenneth musste sich selber eingestehen, die Leute in der Kneipe hatten nicht übertrieben. So hatten sich die Beiden immer ihr eigenes Haus vorgestellt. Imposant, wuchtig und doch ein wahrhaft schöner Anblick. Sicher hatten die Jahre an diesem Bauwerk ihre Spuren hinterlassen. Aber dies wirkte nicht abschreckend, sondern im Gegenteil eher ermutigend, mehr aus dieser Villa zu machen. Im Geiste sahen die beiden schon, wie sie wieder in ihrem alten Glanz erstrahlen sollte, wie die Leute, die an dieser Villa vorbeigingen, nicht einfach vorbeigehen konnten, ohne einen neugierigen Blick darauf zu werfen und erstaunende Laute von sich zu geben. Ja so sollte sie wieder aussehen.
Und doch wirkte es nicht ganz so, wie es sein sollte. Kenneth, ja sogar Sylvia spürten einen Schatten über diesem Haus. So als wollte jemand die Sonne mit Gewalt von ihrem Dach fernhalten, denn schließlich konnte sich das Haus ja in den
heißen Sonnenstrahlen verbrennen. Doch nicht als Schutz wirkte dieser Schatten, sondern eher bedrohlich. So sehr bedrohlich, dass keiner der in dieser Straße lief, in unmittelbarer Nähe an diesem Haus vorbeilaufen wollte. Dass Kenneth und auch Sylvia direkt vor der Villa standen, war für die Passanten zu viel. Schnellen Schrittes entfernten sie sich wieder von der Gegend. Keiner wollte scheinbar etwas mit diesen Gemäuern zu tun haben.
Vielen Dank für das Lesen dieser Probe, sie sind am Ende der Leseprobe angelangt.
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