„Warum willst du denn unbedingt in dieses kleine Kaff ziehen? Du kannst doch deine Arbeiten auch weiterhin hier erledigen.“ Michelle machte einen weiteren Versuch ihren Freund, Nico zu halten.
„Du weißt genau“ erwiderte Nico ihren Argumenten, „wir verstehen uns derzeit nicht besonders und da ist es besser, wir trennen uns eine Weile. Und zum anderen finde ich dort alles, was ich zum schreiben benötige. Abgeschiedenheit, Einsamkeit. Aber vor allem finde ich hoffentlich meine Ruhe.“
Für ihn war damit die Diskussion beendet. Doch Michelle wollte noch weiter diskutieren und holte dazu aus: „Aber.....“ Weiter kam sie allerdings nicht, als sie in seine Augen sah. Sein strafender Blick traf sie hart ins Gesicht. Und sie kannte diesen Blick. Denn dann war für sie Sendepause. Er zeigte ihr immer mit diesem Blick an, bis hier her, aber nicht weiter.
Nico packte seine Sachen weiter. Er ließ sich nicht in seinem Vorhaben beirren. Denn so war er schon immer, festgesetzte Ziele, waren sie auch noch so unerreichbar, er zog sie durch, auf Biegen und
Brechen.
Nachdem er fertig gepackt hatte, ging er noch einmal in die gemeinsame Wohnung, um sich von Michelle zu verabschieden. Sie saß auf dem Sofa, das Kinn auf ihre Hände gestützt. Der starre Blick zeigte auf den Boden.
„Ich wollte mich nur von dir verabschieden“ sprach er sie leise an. Während Michelle langsam nach oben schaute, verkniff sich Nico die weiteren Worte. Tränen standen in Michelles Gesicht.
Sicher verstand er sie, aber sie musste auch ihn verstehen. Denn er war sich nicht mehr ganz im Klaren darüber, ob er sich noch liebte oder nicht. Und zum anderen brauchte er erst einmal etwas Ruhe und Abgeschiedenheit, um sich auf seine Arbeiten zu konzentrieren. Und dies war ihm hier im Moment nicht mehr möglich.
Er griff nach Michelles Schultern und zog sie nach oben. Bereitwillig ließ sie es geschehen. Drückte ihr einen Kuss auf die Stirn, drehte sich um und verließ den Raum, während Michelle dastand wie zu Salz erstarrt. In ihr brodelte ein Vulkan an
Gefühlen. Doch sie wusste nicht so recht, wie sie diese Gefühle verarbeiten sollte.
Von draußen hörte sie die quietschenden Reifen vom Volvo ihres Freundes. In diesem Moment brach alles aus ihr heraus. Sie ließ ihren Gefühlen freien Lauf und dicke Tränen rannen über ihr Gesicht. Schluchzend ließ sie sich wieder auf das Sofa fallen, vergrub ihr Gesicht in einem Kissen, das auf dem Sofa herumlag und heulte hinein.
Nico saß steif hinter seinem Steuer. Krampfhaft überlegte er, ob irgendeine Regung in ihm passierte, bei diesem Abschied. Doch er musste sich eingestehen, viele Gefühle hatte er derzeit nicht für Michelle. Immer wieder überlegte er, woran dies gelegen hatte, wie sich beide auseinander gelebt hatten. War es der Alltag, oder nur die Macht der Gewohnheit, oder hatte er sich wirklich, wie Michelle immer wieder behauptete, verändert? Fragen, auf die er keine Antwort wusste und im Moment auch nicht wollte.
Mit einem Mal sah er, völlig erstaunt, das Ortsschild von seiner neuen Bleibe. Die Fahrt hierher kam ihm diesmal so kurz vor. Oder lag dies
nur an seinen Gedanken, denen er während der Fahrt nachgehangen hatte? Fieberhaft überlegte er, wie er denn die ganze Wegstrecke gefahren war. Doch er konnte sich an keine Einzelheiten erinnern. „Manchmal fahren wir Menschen völlig unbewusst durch die Straßen, ein Wunder, dass da nicht mehr passiert.“ Murmelnde Worte zu sich selber.
An seiner neuen Bleibe angekommen, schloss er die Haustür auf und betrat diese. Ein leiser Pfiff entwich seinem Munde, als er alles fertig eingerichtet sah. Er hatte während seiner Abwesenheit renovieren und einrichten lassen. „Die Handwerker haben ganze Arbeit geleistet.“ War sein Kommentar zu seiner Bleibe. „Hier kann man sich tatsächlich zu Hause fühlen.“ Er war voller Stolz, über die Einrichtung und auch über die Renovierung. Denn er hat sich alles selber ausgedacht und ausgesucht. Und nun war er voll zufrieden.
Seine Klamotten aus dem Auto räumte er in aller Eile ein, begab sich dann in die Küche, richtete sich etwas zum Essen her und machte es sich gemütlich. Immer wieder sah er sich in seiner
neuen Bleibe um. Irgendwie konnte er es immer noch nicht recht fassen, hier ein neues Zuhause gefunden zu haben. Weit weg von seiner eigentlichen Heimat. Er vermisste auch nicht einmal die Nähe von Michelle, die er einst geliebt hatte. Und nun musste er sich selber eingestehen, dass er sie nicht mehr liebte. Alles war verblasst, irgendwie stieg in ihm Ekel auf, wenn er an sie dachte. Es dauerte einige Tage, bis er alles so eingeräumt hatte, wie er es für seine Verhältnisse brauchte. Zum einkaufen brauchte er nicht allzu weit gehen, denn der Ort hatte nur einen einzigen Laden, Und doch war dieser Laden gut eingerichtet, zumindest mit dem nötigsten, was man hier zum Leben braucht.
Zum schreiben kam er nicht, da er sich nicht voll auf seine Arbeit konzentrieren konnte. Die neuen Eindrücke des Ortes waren stärker, als sein Wille sich der Arbeit zu widmen. Immer wieder lief er durch den Ort, zwar gab es im Grunde nicht viel zu sehen , bei den einhundert fünfzig Häusern, aber irgend etwas faszinierte ihn hier und doch konnte er nicht sagen, was es war.
Nach fast zwei Wochen des Untätig seins, fasste
er sich ein Herz und setzte sich an seinen Computer und hackte auf der Tastatur herum. Die Worte fielen ihm nur so aus dem Gehirn und so schaffte er es tatsächlich einmal mehr als zehn Stunden an einem Stück zu schreiben.
Als er für einen Augenblick aufsah, stellte er fest, es war bereits vier Uhr Morgens. Träge und steif stand er auf, begab sich in die Küche und kochte Kaffee, schnitt sich ein paar Brote ab die er spärlich mit etwas Käse belegte und setzte sich an den Küchentisch, um seine Mahlzeit einzunehmen.
Nach dem ersten Biss bemerkte er, wie hungrig er im Grunde eigentlich war. Hastig schlang er die Brote herunter und spülte mit reichlich Kaffee nach. Danach stand er auf, zu müde, um zu schlafen, zog seinen Mantel an, um einen ausgedehnten Spaziergang zu machen. Er hoffte wieder die Ruhe zu finden, damit er nachher ein paar Stunden schlafen konnte.
Die Helligkeit des Morgens stieg langsam hinter dem Horizont auf. Er stand am Rande des Ortes und bewunderte den Sonnenaufgang, als er hinter sich Schritte vernahm. Abrupt drehte er sich um
und sah in zwei himmelblaue Augen.
Eine Frau, wie aus Ebenholz geschnitzt, sie mochte Mitte Zwanzig sein, gesellte sich zu Nico. „Mögen sie auch den Morgen, mit seiner Frische und dem noch guten Geruch, bevor dieser wieder mit all den Abgasen verdorben wird?“ Lächelnd stellte sie ihm diese Frage.
Er nickte nur und wandte seinen Blick wieder gen Horizont. Ja auch er mochte diese Frische eines Morgens, und die Ruhe, die darin lag.
Beide standen nur da, betrachteten den Horizont und ließen sich in ihrer Ruhe nicht stören.
Als die Sonne schon weit oben am Horizont stand, drehte sich die Frau um und sprach zu Nico: „Ich muss leider wieder gehen. meine Arbeit wartet.“ Sie ging ein paar Schritte von dannen. Drehte sich noch einmal um und meinte: „Ich hoffe wir sehen uns einmal wieder, an einem der schönen Morgen.“
Nico drehte sich um, sah in ihr Gesicht nickte nur, ohne auch nur eine Silbe aus seinem Munde zu verlieren. Lange schaute er ihr nach, wie sie mit
leichten Schritten und wippenden Hüften davon schwebte.
Er drehte sich wieder um, sah noch eine Weile zum Firmament, bevor auch er sich auf den Heimweg begab. Seine Glieder wurden schwerer und sehnten sich nach dem Bett.
Nico fand nicht die nötige Ruhe, um ausgiebig und tief zu schlafen. Immer wieder wälzte er sich im Bett, bevor er nach einem Blick auf die Uhr sich doch dann bereit erklärte, lieber wieder zu arbeiten, als sich stundenlang im Bett hin und her zu wälzen.
Nur wenige Stunden hatte er geschlafen und saß schon wieder vor dem Bildschirm, betrachtete seine geleistete Arbeit, fand aber keine weiteren Worte um daran wie bisher zu arbeiten. Ruhelos stand er auf, ging von Fenster zu Fenster, betrachtete das emsige Treiben der Leute auf der Straße und beschloss wieder einen Spaziergang zu machen.
In den Straßen lief er ziellos herum, bemerkte nicht einmal wo er lief, da er in seinen Gedanken
tief versunken war. Ständig grübelte er nach, warum er absolut keine Ruhe finden konnte. Doch er fand dafür keine Erklärung. Gut, Heute Morgen war er zu sehr aufgekratzt, dadurch, dass er die ganze Nacht durchgearbeitet hatte. Aber warum fand er jetzt keine Ruhe? Wie durch einen Zufall stand er vor einem Haus, aus dem eine Frau heraus trat. Wie angewurzelt blieb er stehen, als er in die Augen der Frau blickte, die er Heute Morgen getroffen hatte.
„Arbeiten sie hier?“ Völlig erstaunt über das plötzlich zusammen treffen.
Sie nickte und meinte: „Ich bin hier als Dienstmädchen angestellt. Aber ich habe jetzt keine Zeit mich zu unterhalten, denn ich muss noch schnell einkaufen gehen und der Laden schließt gleich.“ Sie ging weiter.
Nico sah ihr nach, und bei einem Blick auf die Uhr stellte er fest, es war erst gegen Mittag. Und doch fühlte sich sein Körper an, als wäre es schon später Abend. Aber der Anblick dieser Frau ließ die Anstrengungen der letzten Nacht und des kurzen Schlafes schnell vergessen.
Mit der flachen Hand schlug er sich gegen die Stirn. „Ja bin ich denn blöd. Liebe auf den ersten Blick, das gibt es doch gar nicht. Und doch.....“ er rieb sich sein Kinn. „Sollte es möglich sein, habe ich mich wirklich in sie verliebt?“ Er kratzte sich hinter dem Ohr, während er schmunzelnd weiter ging.
„Nein, das kann nicht möglich sein. Nicht so schnell.“ Er sprach so laut mit sich selber, ein Passant auf der Straße, der ihm entgegen kam, fragen: „Geht es ihnen nicht gut?“
Nico sah den Mann an, lächelte und packte den Mann an den Schultern um ihm freudestrahlend zu antworten: „Nein ich glaube ich bin verliebt.“
Vielen Dank für das Lesen dieser Probe, sie sind am Ende der Leseprobe angelangt.
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